Herr Ofczarek, Sie entwickeln eine erstaunliche schauspielerische Bandbreite. Sie haben im Film kürzlich den Architekten Karl Schwanzer dargestellt, für Clips der burgenländischen Weinwerbung spielen sie sechs verschiedene Rebsorten, im Burgtheater geben Sie den Stawrogin in Dostojewskis "Dämonen", und jetzt kommen Sie auch noch als "Räuber Hotzenplotz" in die Kinos. Ist es die Vielfalt, die Sie besonders reizt?
NICHOLAS OFCZAREK: Ja, das nicht Einteilbare, die verschiedensten Genres. Mir ist das Wichtigste, dass die Dinge, die ich mache, Qualität haben. Ich habe da einen Qualitätsanspruch, wie ihn ein Tischler auch hat.
Was ist die größere Herausforderung: Das Neue ausprobieren oder das Alte am gleichen Level zu halten? Bei Dostojewski denkt man sich, das können Sie vielleicht abrufen – aber einen Hotzenplotz haben Sie noch nicht "drauf" gehabt ...
Das mit dem Abrufen ist so eine Sache. Ich fange, egal, was ich tue, immer irgendwie bei null an. Der Unterschied ist nur, dass ich das mittlerweile schon weiß. Das macht es nicht angenehmer. Egal, was ich mache: Ich komme immer an den Punkt, wo ich nicht weiß, wie es geht. Der Hotzenplotz ist ein völlig anderes Genre und erfordert eine völlig andere Art der Darstellung. Das muss man herausfinden.
Da gibt es wenigstens Genre- und Rollenvorbilder. Aber ich kenne noch keinen Schauspieler, der einen Zweigelt oder einen Blaufränkischen gespielt hat.
Ich auch nicht. Es ist eigentlich eine Unmöglichkeit, denn man spielt ja als Schauspieler Situationen, Handlungen und keine Zustände, keine Eigenschaftsworte. Das Eigenschaftswort obliegt dem Betrachter. Ich hatte vor dieser Weinwerbung größten Respekt – aber auch vor dem Hotzenplotz. Der Grad der Überhöhung war mir nicht klar, weil man Kinder sehr wohl fordern sollte, aber nicht überfordern und schon gar nicht unterschätzen. Beim Hotzenplotz war für mich die wichtigste Frage, die nach dem richtigen Grad einer Überhöhung, die glaubwürdig und nicht banal ist.
Wie sehr war der "Hotzenplotz" in Ihrem eigenen Aufwachsen oder dem Ihrer Tochter präsent?
Er war nicht sooo präsent. Meine Mutter ist Irin, ich war daher vor allem mit der angelsächsischen Kinderliteratur versorgt, Deutsch übersetzt. Meine Tochter hat sich eher gewünscht, dass ich Geschichten für sie erfinde. Auch der "Grüffelo" hat sie interessiert, nicht so sehr der "Hotzenplotz".
Ich musste bei dem Film an die tschechischen Märchenverfilmungen der 60er- und 70er-Jahre denken. Waren die ein Thema beim Drehen?
Durchaus. Ich war immer schon ein Fan der tschechischen Märchenverfilmungen. Sie haben einen bestimmten Zauber und sind nicht so technisiert. Ich finde, wir leben in einer sehr rasanten, viel zu schnellen Zeit. Den jüngeren Zuschauern einen anderen Atem zu schenken, eine andere Möglichkeit der Projektion und Imagination, das war uns wichtig. Und Preußler kommt ja aus der Gegend von Liberec. Er hat eine bestimmte Gegend gesehen, in der das spielt.
In den Szenen von Zauberer Zwackelmann gibt es einige ironische Harry-Potter-Zitate, aber auch Gelegenheit für Sie und August Diehl, ein bisschen die Sau rauszulassen. Hat das besonderen Spaß gemacht?
Wir haben ja nur zwei Szenen miteinander. Wir hatten sehr viel Spaß - aber nur mit Spaß kann man diese Szenen nicht drehen. Man muss sehr präzise sein. Die Sau rauslassen geht eigentlich gar nicht. Aber wir schätzen uns sehr und sind beide akribische Arbeiter. Wenn's leicht und flockig wirkt, ist meist viel Arbeit dahinter.
Ihr Hotzenplotz hat sehr weiche Anteile: raue Schale, weicher Kern. War das von Anfang an Teil des Konzepts?
Ich finde es immer entbehrlich, wenn man eine Rolle anlegt und eine Interpretation drüberstülpt. Ich beziehe meine Information immer aus dem Text. Es ist gut, wenn der erste Eindruck, den man von einer Figur hat, sich ein bisschen entblättert und reichhaltiger wird, wenn nicht alles stereotyp bleibt und man ein bisschen hinter einen Menschen schauen kann. Und man darf nicht vergessen: Für die jungen Zuseher wie für die Darsteller von Kasperl und Seppel ist es eine erste Konfrontation mit einer erwachsenen Welt und dem Bösen. Solche Gedanken macht man sich natürlich beim Drehen.
Zwischen Frau, Großmutter und Hotzenplotz scheint sich momentweise eine mögliche Lovestory anzudeuten.
Eigentlich ist es eher eine Annäherung zwischen Großmutter und Wachtmeister Dimpflmoser, denn Hotzenplotz gefällt ihr in dem Augenblick, als er die Dimpflmoser-Uniform anzieht. Der Hotzenplotz ist eigentlich ein Anarchist am Rande der Gesellschaft.
Der aber auch eine Sehnsucht nach menschlicher Nähe hat ...
Natürlich. Ich glaube, einsam sein ist nicht so ohne.
Wolfgang Huber-Lang/APA