Die Motive könnten unterschiedlicher nicht sein. Margit Nöhrer interessiert sich für das "Spannungsfeld von wirtschaftlichen Gegebenheiten und journalistischer Verantwortung", Daniel Nauschnegg möchte mehr über "die Macht der Medien" erfahren. Ludmilla Reisinger hat soeben die Matura bestanden, überlegtn Journalistin zu werden und nutzt die Chance, "in die Branche reinzuschauen". Christof Weber sucht den Dialog mit den Medienmachern: "Ich erwarte mir Gelegenheit zur Diskussion."
Am Freitag haben sie sich im Konferenzraum der Kleinen Zeitung zum ersten Mal getroffen: 25 Lesermandatare aus der ganzen Steiermark, quer durch alle Altersgruppen und Berufsfelder. Sie alle werden die Kleine Zeitung künftig begleiten, als Gesprächspartner und Impulsgeber, als Beraterteam und Resonanzeinheit bei kleinen und großen Richtungsentscheidungen der Kleinen Zeitung.
Wieso das plötzlich ein Thema ist? Weltweit ringen klassische Medien mit dem Schwund ihrer Glaubwürdigkeit, nicht zuletzt sorgen die Echoräume des Internet mit ihrem breiten Angebot alternativer Fakten für Auflagenrückgänge. Die Kleine Zeitung, mit derzeit 853.000 Leserinnen und Lesern in Kärnten und der Steiermark unangefochtene Marktführerin in Österreichs Süden, intensiviert genau aus diesem Grund den Dialog mit ihrer Leserschaft. In der Hoffnung, dass Transparenz und Gesprächsbereitschaft in guten Zeiten das Vertrauen stärken, ehe sich überhaupt Krisen breitmachen.
Wie sieht diese Zusammenarbeit aus? Die ehrenamtlichen Lesermandatare, ausgewählt aus rund 500 Freiwilligen, werden das Team der Kleinen Zeitung unter anderem mit Verbesserungsvorschlägen für die Printausgabe und die Online-Auftritte unterstützen.
Sie werden neue redaktionelle Produkte testen, Rückmeldung zu Schwerpunktsetzungen in der Berichterstattung geben und als Anwälte der gesamten Leserschaft fungieren.
Vor diesem Hintergrund kamen beim Auftakttreffen der Lesermandatare mit Geschäftsführer Thomas Spann, Chefredakteur Hubert Patterer und Redaktionsmanager Bernd Olbrich auch gleich einmal die großen Fragen aufs Tapet. Woran sich die politische Unabhängigkeit der Kleinen Zeitung messen lasse, wollte etwa Michael Rahm wissen: "Unser Anspruch ist, dass am Ende dieses Wahlkampfs alle Parteien gleichermaßen mit uns hadern", so die Antwort von Chefredakteur Hubert Patterer. "Wenn alle zürnen, ist es für uns ein Indiz, dass die Zeitung im Lot ist." Und die kolportierte Nähe zur Kirche? „Die Kleine Zeitung steht geschichtlich auf einem christlich orientierten Fundament. Sie wurde 1904 durch den katholischen Pressverein gegründet und ist heute im Besitz einer Stiftung. Es gibt keinerlei redaktionelle Einflussnahme, aber es wird Ihnen aufgefallen sein, dass Fragen des Spirituellen bei uns eine größere Rolle spielen als in anderen Zeitungen – etwa in der Osterzeit oder zu Weihnachten“, erläuterte Patterer. Der Zuspruch der Leser ermutige dazu.
Gottfried Gerngroß wollte über die Notwendigkeit von Werbeeinschaltungen Bescheid wissen: "Auch breit gestreute Inserate sichern unsere politische Unabhängigkeit ab", so Redaktionsmanager Olbrich, "aber die größte Versicherung unserer Unabhängigkeit sind Sie, unsere Leser: 60 Prozent unserer Einnahmen entstehen aus Abonnements." Wichtiges Fazit der Auftaktsitzung: Für das erste Treffen nach dem Sommer wird auf Anregung von Ernst Balthasar Scheid der Wertekanon der Kleinen Zeitung zum Thema.
Ansonsten war die erste Tagung des Leserparlaments dem gegenseitigen Kennenlernen gewidmet. Was auffällt: die Verbundenheit mit der Kleinen Zeitung. Martha Zaunschirm hat schon zweimal abbestellt, sich aber immer wieder zur Rückkehr überzeugen lassen, Caroline Rodlauer hatte zwischendurch sogar "zwei, drei Abos", um ihre gesamte informationshungriege Familie am Frühstückstisch versorgen zu können. Und für etliche Lesermandatare gehört die Kleine Zeitung zur Familiengeschichte. Dass schon die Großeltern Abonnenten waren, berichtet nicht nur Dominik Brinner. Barbara Gollner erzählt, wie sie als Kind mit ihrer Oma in den Nachrichten geblättert habe: "Mit der Kleinen Zeitung lernt man also anständig lesen", ist ihr launiges Fazit. Umgekehrt verriet Josef Graßmugg, dass er mit seiner zweieinhalbjährigen Enkelin auch schon die Zeitung studiert: "Wurzel suchen", sei ihr bevorzugter Zeitvertreib. Der Comic-Hund zählt zu den traditionsreichsten Fixpunkten der Kleinen Zeitung.
Demnächst gibt es aber auch ein neues Fix-Element: Ab 1. Juli bestreiten die Mandatare im Wochenrhythmus abwechselnd eine eigene Kolumne, in der sie über das Wirken des Leserforums berichten.