Die Fürsorge des Landes gilt den deutsch- und slowenischsprachigen Landsleuten gleichermaßen: Ist dieser Satz eine Geste? Ein Keil? Ein Versuch der ÖVP, ihr politisches Fell zu retten?
Als Kärntnerin, die 30 Jahre im Ausland gelebt hat und die berühmt/berüchtigten Ortstafelkämpfe nur aus der Ferne wahrgenommen hat, ist meine Reaktion auf die Aussage von Herr Christian Berger weder Entsetzen noch Zorn, sondern eine tiefe Verwunderung: dass in einem wohlhabenden westeuropäischen Land des 21. Jahrhunderts die offizielle Gleichstellung und Gleichberechtigung von Volksstämmen noch immer politisiert wird.
Jetzt, wo durch Zuwanderung und Migration weitere Volksstämme vor unserer Türe stehen, die sich von uns tatsächlich kulturell und historisch unterscheiden, ist es mir unverständlich, dass diese für Kärnten endlich zur Ruhe gelegte, wenn auch nicht aufgearbeitete Sachlage durch solche Bemerkungen wieder aufgeheizt wird.
Die Fürsorge für das Land und die Menschen und die Natur ist die Aufgabe jedes Politikers und jeder Partei. Und diese Fürsorge auch auszusprechen und gesetzlich zu verankern ist eine Geste des guten Willens und des Verständnisses für die Gegebenheiten und Notwendigkeiten unseres Landes. Wer das nicht begreift und dagegen spricht, ist in meinen Augen einer Vergangenheit verhaftet, die schon längst von der Zukunft eingeholt worden ist.
Monika Grill, Viktring
Wir alle sind Kärntner
Lieber Herr Benger, ich gehöre der slowenischsprachigen Minderheit nicht an, sehe aber diesen Dialog als ein zartes, durch Interaktion immer weiter wachsendes Pflänzchen an, welches aufgrund diverser parteipolitischer Überlegungen nicht zerstört werden darf. Wenn Sie den von Ihnen selbst verfassten Vorschlag wieder zurückziehen, könnte es durchaus sein, dass dieses Pflänzchen beschädigt wird. Lassen Sie mich Ihnen sagen, dass wir alle gleich sind – wir alle sind Kärntner.
Ich plädiere an Sie, Handschlagqualität zu beweisen, stehen wir zu Gleichberechtigung und kultureller Vielfalt in unserem wunderschönen Kärnten.
Lisa Marie Keckel, Villach
Keiltreiber
Herr Landeskulturreferent Benger, ich fordere Sie auf, unverzüglich zurückzutreten. Der einzige Keiltreiber, den ich derzeit wahrnehme, sind Sie selbst. Jenen einen Satz innerhalb des 174 Seiten umfassenden Landesverfassungstext wollen Sie nun tatsächlich dazu missbrauchen, Ihren Kopf zu retten?
Ihnen als Landeskulturreferent obliegt es unter anderem, die Aktivitäten für das nahende Jubiläumsjahr der Kärntner Volksabstimmung zu planen. Ist Ihre Keiltreiberei das Einzige, was Sie hierfür aktuell vorzuweisen haben? Wie wäre es mit einer historisch grundierten Broschüre, welche endlich darüber aufklärt, dass der Kärntner Partisanenkampf der einzige bewaffnete Widerstand im Nationalsozialismus gewesen ist, dem wir u. a. unseren Staatsvertrag von 1955 verdanken? Ganz zu schweigen davon, was wir unserer slowenisch sprechenden Kärntner Bevölkerung an Kulturgut zu verdanken haben. Herr Landeskulturreferent Benger, schämen Sie sich gar nicht – ali vas ni sram, gospod?
Claudia Rosenwirth-Fendre, Nötsch
Alle einbeziehen
Ganz abgesehen davon, dass man getroffene Vereinbarungen grundsätzlich auch einhalten sollte, stehe ich auf dem Standpunkt, dass eine Abkehr vom ursprünglichen Verfassungsentwurf sinnvoll erscheint. Gem. Art 6(2) BV sind alle Staatsbürger, die in einem Land den Hauptwohnsitz haben, dessen Landesbürger. Wir wissen, dass es in Kärnten nicht nur deutsch und slowenisch sprechende Bürger gibt. Es gibt auch genug Landsleute, die italienisch, bosnisch, kroatisch, chinesisch etc. sprechen. Daher sollte der Satz: "Die Fürsorge des Landes gilt allen Landsleuten, unbeschadet ihrer Sprachzugehörigkeit, gleichermaßen" in die Verfassung aufgenommen werden. Dann müssten wohl die ewigen Nörgler die Segel streichen.
Mag. Heinz Kellerer, Pörtschach
Groteske Erklärung
Geradezu grotesk ist Landesrat Bengers Erklärung, dass er keinen Keil in der Bevölkerung haben wolle. Er ist jetzt der Keil. In diesem Land existieren schon seit Jahrhunderten zwei Volksgruppen nebeneinander und es kann doch nur dienlich sein, wenn sie friedlich miteinander auskommen. Was will Benger? Dass man diese Mitbürger „verschweigt“, oder will er nur auf den Zug der Spaltungstendenzen aufspringen, um bei der nächsten Wahl überhaupt ein Thema zu haben? Oder geht es doch um die Verfassungsreform als Ganzes?
Es ist auch wieder das Phänomen der Klappohren feststellbar, bei diesem Thema hat er ein Ohr bei den Menschen (wohl hauptsächlich bei ÖVP-Bürgermeistern). Bei vielen sozialen Themen, wo sich wesentlich mehr Menschen beklagen und betroffen sind, klappt er die Ohren einfach runter.
Ing. Walter Polesnik, Rosegg
Sind wir auf dem Bazar?
Ob man den "Schwenk" mit innerparteilichen Kämpfen oder Sorge um den "Keil in der Bevölkerung" erklärt, in einem Punkt hat Christian Benger recht: Die Verankerung des Slowenischen in der Landesverfassung ist in der breiten Bevölkerung nicht erwünscht. Da muss man nur mit offenen Augen und Ohren unterwegs sein. Diese Vorbehalte jenen in die Schuhe zu schieben, die man als "FPÖ-Wähler" bezeichnet, ist grundverkehrt. Der Riss zieht sich nach wie vor durch sämtliche Bevölkerungsgruppen. Und es ehrt Andrea Berger, dass sie auch auf die SPÖ-Reihen hinweist.
Die Kärntner Slowenen waren immer (!) Spielball der herrschenden Parteien. Der "Ortstafelkompromiss" in der Ära Dörfler hat beruhigt, aber es hat danach weder eine neue zweisprachige Ortstafel gegeben noch Hinweisschilder, obwohl man könnte, wenn man wollte. Interessant wäre es, die neue Verfassung dem Volk in einer Abstimmung vorzulegen.
Was nicht akzeptiert werden kann und sollte, ist, dass es in dieser Sache ein innerkoalitionäres Gegengeschäft gegeben hat. Sind wir auf dem Bazar?
Rudolf Prill, Köttmannsdorf