Leserbriefe zu „Wenn in der Bank der Schalter verschwindet“, 28. 8.

Diskriminierung durch Digitalisierung? Ja, das ist nicht nur möglich, sondern Fakt. Ein Beispiel gefällig? Meine 80-jährige Nachbarin will zu ihrer Bank ums Eck, um Geld via Schalter zu beheben. Sie ist geistig absolut fit und rege. Aber ihre Hände zittern und sie sieht nicht mehr gut. Sie befürchtet, dass sie sich bei einer Behebung am Bankomat vertippen könnte und ihre Karte eingezogen wird. Da marschiert sie also zu ihrer Bank ums Eck und stellt fest, dass es hier keinen Personenverkehr mehr gibt. Die Dame muss sich also auf die Suche nach einer anderen Bankfiliale machen, die über Schalterbedienung verfügt. Diese ist aber nun nicht mehr „ums Eck“, sondern fußläufig für einen älteren Menschen gar nicht zu erreichen. Also heißt es Öffi-Ticket lösen und sich mit dem Bus auf den Weg machen.

Nächstes Problem: Es gibt mittlerweile schon Automaten im Bus, aber man möge mir bitte erklären, wie eine 80-Jährige, die ohnehin nicht mehr gut auf den Beinen ist, zittrige Hände hat und schlecht sieht, im Stehen ein Ticket lösen soll, während der Bus sich in Bewegung setzt und vielleicht kurz darauf ein Bremsmanöver unternimmt. Bis meine Nachbarin die Bankomatkarte aus der Tasche hat, die Bedienung des Ticket-Apparates versteht, ist sie praktisch schon zwei Mal zu Sturz gekommen. Da kann sie nur hoffen, dass ein mobilerer Mensch sie stützt und unterstützt.

Selbstbestimmung und Wahlfreiheit sehen anders aus. Barrierefreiheit ebenso. Es handelt sich dabei auf jeden Fall um Diskriminierung. In diesem Fall Altersdiskriminierung. So einfach ist das! Mag.a Gabriele Metz, MA, Gender-Institut Graz

Schwere Bedienung

Die Diskussionen um den digitalen Zugang vor allem älterer Mitmenschen lässt zwei Dinge außer Acht: Ich glaube nicht, dass es darum geht, dass vor allem ältere Menschen kein Smartphone oder keinen Electronic-Banking-Zugang besitzen und nicht wissen, wie man damit umgeht. Es ist die Bedienung an sich: Cookies werden überall mit verschiedenen Optionen abgefragt. Dann legt sich sehr gerne eine großflächige Werbung – oftmals von der Bank selbst – über den Bildschirm, also sucht man ein verstecktes X zum Wegklicken (und das vielleicht mit zittrigen Fingern und schlechter Sehleistung). Verfüger oder ID eingeben, Passwort eingeben (selbstverständlich ist dieses überall anders, mal mit Großschreibung, mal mit Sonderzeichen) usw.  

Es mag stimmen, dass es noch genug Bankfilialen gibt. Aber meist nicht mehr fußläufig erreichbar, sondern mehrere Kilometer entfernt. Oder, wie mir selbst passiert: Ich gehe in eine Bankfiliale und höre dort, dass ich dort nichts mehr von meinem Sparbuch abheben kann, weil man mich einer anderen Filiale zugeordnet hat. Johanna Rauchenschwandner, Graz

Mehr Respekt

Die Diskriminierung von älteren oder nicht mit dem Umgang von Apps bewanderten und nicht mobilen Bankkunden ist offenkundig. Meine Wahrnehmung ist: Das Banken-Filialnetz wird sehr wohl immer mehr ausgedünnt, für Bankgeschäfte muss man sehr oft in andere Städte fahren. Sehbeeinträchtigte Personen werden mittels Briefen aufgefordert, sich doch eine App am Smartphone zu installieren. Wenn nicht, werden Gebühren für die Benützung der Bankautomaten verlangt. Die angesprochenen digitalen Coaches sieht man meistens nicht. Eher wird man unfreundlich auf die Mehrkosten bei einer Aufgabe des Erlagscheins am Schalter hingewiesen. Die Banken haben offenbar vergessen, wer sie vor nicht allzu langer Zeit gerettet hat – ihre Kunden als Steuerzahler! Also ist mehr Respekt und Entgegenkommen seitens aller Banken angebracht. Herwig Schaar, MBA, Bruck

Digitalisierung hilft

Als von Geburt an blinder Student kann ich jeden, der sich durch die Digitalisierung abgehängt fühlt, mehr als nur verstehen, weiß man doch als Blinder nur allzu gut, wie es ist, benachteiligt zu werden. Für uns hingegen bietet die Digitalisierung im Gegensatz zur medizinisch ausgerichteten institutionellen „behindernden Hilfe“ zwei Dinge, die vermutlich zu den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen und laut UN-Behindertenrechtskonvention auch zu den Menschenrechten gezählt werden: selbstbestimmte Teilhabe und Autonomie. Wieso das? Moderne Technologiekonzerne aus den USA bauen schon seit Jahren Hilfsmittel in ihre Produkte ein, die blinden Menschen ihre Hardware (beispielsweise das iPhone) zugänglich machen, indem Bildschirminhalte vorgelesen werden.

Digitales Unterschreiben, Bezahlen, Zeitung lesen, Banking, Messaging, Einkaufen, Social Media: alles problemlos ohne klassische Hilfe möglich, sofern die betreffenden Apps und Webseiten digital barrierefrei gestaltet sind. Abgerundet wird das Portfolio durch (leider teure) sogenannte Braillezeilen, d.h. Hardware von Drittanbietern, die Bildschirmtexte in Blindenschrift umwandeln wie ein Simultanübersetzer. Mit KI gibt es eine weitere Technologie, die uns Grafiken beschreiben kann. Freilich braucht es neben Assistenz, Hilfsmitteln, Schulungen und Trainings auch Beratung, wie sie etwa der Blindenverband und das Odilieninstitut anbieten. Wie bereits erwähnt, ist mir jedoch bewusst, dass sich viele Menschen, ob jung, ob alt, ob blind oder nicht, durch die Digitalisierung abgehängt fühlen. Daher die Fragen an die wahlkämpfenden Parteien: Wo bleiben die Lösungen? Wo bleiben Konzepte für ein bundesweites Digitalbudget? Wo bleiben Rechte für ein analoges und ein digitales Leben? Wo bleiben im Sinne des lebenslangen Lernens gezielte Weiterbildungsangebote für Schüler, Lehrer, Erwachsene, Pensionisten und Menschen mit Behinderung im Bereich EDV- und Medienbildung? Helmuth Schlögl, Graz