Leserbrief zu Pro und Kontra „Soll EU Ungarn wegen Orbáns Reisepolitik boykottieren?“, 21. 7.

Ursula Plassniks Diskussionsbeitrag zur Streitfrage, ob die EU Ungarn wegen Orbáns Reisepolitik boykottieren soll, den sie mit einem klaren „Nein“ beantwortet, ist wirklich bemerkenswert. Einerseits zeigt sie klar das nicht akzeptierbare Fehlverhalten Orbáns auf.

Andererseits kritisiert sie auch die Ansage der alt-neuen Kommissionspräsidentin von der Leyen, darauf mit Boykotts Ungarns zu reagieren und bezeichnet dies als selbstherrliche Machtpose, mit der sich die Kommission zum obersten EU-Moralgericht erhebt und jede Rechtsgrundlage verlässt.

Insgesamt zeigt die Analyse glasklar die Fehler auf beiden Seiten auf, weist aber auch auf die dringende Notwendigkeit für die EU hin, insgesamt eine neue Zukunftsstrategie zu entwickeln. Respekt!
Dr. Günther Pacher, Spittal

Weitere Leserbriefe zum Thema

Fehlverhalten

Orbán interessieren weder Urteile europäischer Gerichte noch europäische Mehrheitsentscheidungen. Da kommt ihm der EU-Ratsvorsitz gerade gelegen, um weiter zu provozieren, indem er ohne Absprache mit den anderen EU-Staaten, in Eigenregie, eine sogenannte „Friedensmission“ startet. Die ehemalige Außenministerin Frau Plassnik findet das Auftreten Orbáns anscheinend normal. Nach ihrer Einschätzung liegt das Fehlverhalten nicht bei Orbán, sondern bei der EU, bei der EU Bürokratie, ganz besonders bei der alten/neuen EU-Kommissionspräsidentin.

Frau Plassnik wirft zwar viele Fragen auf, Lösungen oder Antworten bleibt sie aber schuldig. Ein Boykott Orbáns kommt für sie jedoch nicht infrage. Der einzige, nichts sagende Lösungsansatz von Frau Plassnik lautet, man müsse Orbán mit europäischer Geduld entschlossen und geschlossen entgegentreten.

Ich habe den Eindruck, Frau Plassnik will hier der Öffentlichkeit nur ihre Antipathie für Frau von der Leyen zeigen.
Arnold Praschl, Ilz

Keine Weltverbesserer

Die Welt ist nicht so einfach gestrickt, wie es sich die EU-Moralapostel meist vorstellen wollen, wenn die EU-Entscheidungsträger Staaten, mit autoritären Regimen, mit erhobenem Zeigefinger darauf hinweisen, wie sie ihr Land zu führen haben. Das zeigt sich auch im Falle des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán, dessen EU-Ratspräsidentschaft boykottiert werden soll, da er sich ohne Erlaubnis mit dem russischen Präsidenten Putin, dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping und dem amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Trump getroffen hat, und sich die EU-Spitze als Sittenwächter aufspielt.

Jetzt ist ein guter Kontakt mit dem russischen Aggressor kritisch zu hinterfragen, da dieser an keiner Friedenslösung interessiert ist, aber mit dem chinesischen Präsidenten eine gute Gesprächsbasis zu haben, und auch einen vernünftigen Kontakt zu einem möglichen künftigen amerikanischen Präsidenten aufrechtzuerhalten, ist für die EU von Vorteil. Man kann gespannt sein, wie die EU auf das jüngste Telefonat des ukrainischen Präsidenten Selenskyj mit Trump, in dem er ihm zur Nominierung zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten gratuliert hat, reagieren wird. Der ukrainische Präsident denkt vielleicht pragmatischer als die Führung der EU, die sich über die Engstirnigkeit der amerikanischen Anhänger der republikanischen Partei alterieren und glauben, ihnen vorschreiben zu können, welchen Präsidenten sie zu wählen haben. Selenskyj hat vielleicht verstanden, dass es noch immer besser ist, „mögliche Feinde mit ins Boot zu holen“, als sich gegenseitig zu bekämpfen!

Die EU-Kommission und viele Mitgliedsstaaten müssen aufhören, sich als die besseren Menschen zu fühlen und als Weltverbesserer über jene Menschen urteilen zu wollen, die in weniger demokratischen, nicht so sicheren Ländern leben müssen! 
Michael Moser, Klagenfurt

Warnschuss

Das despotische Ungarn tanzt seit vielen Jahren unserer EU auf der Nase herum, daher schlage ich einen radikalen Schritt vor, um diesen Spuk zu beenden, um wieder handlungsfähig zu werden: Schmeißen wir Ungarn sofort rechtswidrig aus der EU hinaus! Rechtswidriges Verhalten wäre dasselbe Niveau, welches Ungarn seit Jahren auf Kosten der solidarischen Teilnehmer praktiziert.

Ungarn hat danach die Möglichkeit, die EU zu klagen, dies kann man mit diversen juristischen Spitzfindigkeiten und Einsprüchen auf über zehn Jahre strecken. In dieser Zeit ist das korrupte System Orbán definitiv relativ rasch in sich implodiert und man kann den Ungarn mit einer neuen proeuropäischen Regierung die sofortige Rückkehr anbieten, sofern sie die Klagen zurückziehen.

Meines Erachtens ist es an der Zeit, sich von diesem Land distanzieren und klare Kante zu zeigen. Und vor allem wäre es sehr wichtig, dies auch als Warnschuss für diverse Nachahmer zu exekutieren.
Isolde Dannhauser, Linz

Um Frieden bemühen

Ich bin empört, wie sich die österreichischen Politiker verhalten. Anstatt Orbán für seine Friedensbemühungen zu unterstützen, überlegen sie sich, ob sie sich dem EU-Boykott anschließen.

Wir sind eine demokratische Republik und müssen uns für den Frieden bemühen.
Karin Kräuchi, Graz

Warum nur Boykott?

Ich bin einmal nicht Plassniks ansonsten immer kompetenter Meinung. Man darf dem ungarischen „Möchtegern-Trump“ nicht alles ohne jegliche Konsequenz durchgehen lassen. Die demokratiepolitisch geforderte Toleranz gegenüber solchen verantwortungslosen Populisten befördert deren hoch intoleranten Stil, Machtpolitik zu betreiben, anstatt ihn zu bremsen. Wie weit darf Orbán noch gehen mit seinem frivolen „Geld-her-“, dafür keine europäisches „Solidarität-hin-Gehabe“?

Bin ich intolerant, wenn ich zum guten Schluss käme, warum nur ein Boykott? Warum nicht einfach gehen lassen?
Dr. Gert Wiegele, Villach