LB: „Von Putin nicht einschüchtern lassen“, 22. 6.

Die Leserbriefe zum Ukrainekrieg offenbaren immer wieder ein breites Spektrum verständlicher menschlicher Sehnsüchte und idealistischer Wünsche bis hin zur „Liebe zu allem“. Aus dem breiten Blickwinkel der Geschichtsforschung zeigt sich aber, dass über Menschen regelmäßig Unheil gekommen ist, wenn sie ihre Wunschvorstellungen an die Stelle der Erkenntnis nüchterner Realität gestellt haben.

Wer bereit ist, seine Ziele gegen jedes Recht mit Gewalt durchzusetzen und andere mit Drohungen einzuschüchtern, interpretiert üblicherweise freundliches Entgegenkommen als ausnutzbare Schwäche. Der Versuch, Hitlers aggressive Ambitionen durch großzügige Zugeständnisse („Appeasement“) einzudämmen, hat dessen Maßlosigkeit erst recht befeuert und Europa in die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs geführt. Und haben wir vergessen, dass wir unsere heutige Freiheit entscheidend der ganz realen solidarischen soldatischen Opferbereitschaft junger Menschen aus den USA, Kanada oder Großbritannien („D-Day“) verdanken?

Zweifellos ist im Ukrainekonflikt eine kluge, aber robuste Diplomatie das Gebot der Stunde. Rechtzeitiges, mutiges Auftreten und Entschlossenheit hätten diesen unsäglichen Krieg wohl überhaupt verhindern können. Gewaltbereite Autokraten nehmen grundsätzlich nur Verhandlungspartner ernst, die über reale Macht verfügen. Eine handlungsfähige, mit Atomwaffen ausgerüstete NATO hat den Frieden in Europa über Jahrzehnte erhalten. Nicht nachvollziehbar ist daher die vorschnell kommunizierte Erklärung der NATO, unter keinen Umständen militärisch in der Ukraine zu intervenieren – ein Freibrief für Russland, sich ohne wirkliches Risiko an seinem Nachbarland zu vergreifen.
Werner Augustinovic, Kapfenberg

Weitere Leserbriefe zum Thema

Kampf auch für uns

Konstruktive Gespräche mit einem grausamen, eiskalten Diktator, der über Leichen geht? Das ist meines Erachtens ein schlechter Witz. Immerhin kämpft die Ukraine auch für uns im Westen. Dieser Mensch wird nie aufhören zu kämpfen, so wie er drauf ist. Er ist in seiner eigenen Welt, immer der Sieger. Verlieren – das Wort kennt der nicht. Wie viele Menschen hat er schon verschwinden lassen, weil sie nicht seiner Meinung waren? Es geht gar nicht anders, als die Ukraine mit Waffen zu unterstützen. Man muss bedenken, die Ukraine war es nicht, die mit dem Krieg begonnen hat, sondern dieser Diktator. Möge es der Ukraine spät, aber doch, mit Unterstützung des Westens gelingen, den Krieg zu gewinnen!
Karin Groß, Bruck/Mur

Reparationszahlungen

Den Lesern, die die Einstellung der Kampfhandlungen und Friedensverhandlungen fordern, ist zuzustimmen. Allerdings mögen sie diese Forderung bitte an Putin richten, immerhin hat er mit diesem Krieg angefangen. Rückzug aus allen besetzten Gebieten (inklusive Krim) und Waffenstillstand, danach sollte ernsthaft über Frieden und zu leistende Reparationszahlungen verhandelt werden.
Herwig Lorenzer, Graz

Referenden abhalten

Kriegsherr Putin bietet der Ukraine einen Frieden an, in dem diese der russischen Föderation etwa ein Drittel ihres Staatsgebietes mit etwa zehn Millionen Einwohnern überlassen müsste – nach sechs von Russland seit 1991 unterzeichneten internationalen Verträgen, in denen die territorialen Grenzen der Ukraine anerkannt wurden. Für die Ukraine natürlich keinesfalls annehmbar. Ich könnte mir nur ein Szenario vorstellen, wo Russland sein Gesicht einigermaßen wahren könnte: einen Waffenstillstand an der derzeitigen Frontlinie. Eine Selbstständigkeit der Krim als unabhängiger Staat ohne russischen und ukrainischen Einfluss unter Schirmherrschaft der UNO. Referenden in den Oblasten Donezk und Luhansk, dort nur Wahlberechtigte, die vor dem März 2014 dortselbst ihren Wohnsitz hatten, einschließlich der Geflüchteten und Vertriebenen. Desgleichen eine Volksabstimmung in den Oblasten Cherson und Saporischschja mit den Bürgern vom September 2022. Referenden natürlich nur unter internationaler Aufsicht ohne Einflussnahme Russlands oder der Ukraine. Wenn sich die Menschen für Russland entscheiden würden, so sollte die Ukraine diese Oblaste freigeben.

Ich weiß, diese Gedankenspielerei wird weder logistisch machbar noch unter einem amtierenden Diktator Putin möglich sein. Ich war einige Male in der Ukraine und habe das Land als weltoffen, aufstrebend und mit herzlichen Menschen kennengelernt; außerdem habe ich eine ukrainische Schwiegertochter und einen dreijährigen halbukrainischen wunderbaren Enkelsohn. Ich leide täglich mit Fortsetzung dieses absolut sinnlosen und ungerechten Krieges mit!
Wolfgang Treitler, Hitzendorf