Zum Außensicht-Beitrag „Stimmen gegen eigene Interessen?“, 27. 6.

Aus tiefenpsychologischer Perspektive könnte gesagt werden, dass momentan die destruktiven Kräfte (Thanatos) stärker sind als die konstruktiven (Eros) – natürlich denkt man in diesem Zusammenhang an die furchtbaren, sprachlos machenden Kriege, aber auch verbale Aggressionen von Politikern und Aggressionen gegen Leib und Leben von Politiker:innen sind hier gemeint. Verständlich ist, dass viele Menschen in dieser multiplen Krisensituation Ängste und Verunsicherung erleben und möglicherweise in prekären Verhältnissen leben – verständlich ist auch, dass diese Menschen vielleicht Parteien wählen, die regierende Eliten kritisieren, „einfache“ Antworten auf komplexe Fragen geben, und dass verunsicherte und enttäuschte Menschen destruktiven politischen Kräften auf den Leim gegangen sind. Menschen, die es nicht so leicht haben, dürfen nicht abgehängt werden, sie müssen gehört und materiell-seelisch unterstützt werden – Begegnung auf Augenhöhe.

Irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die politisch-vernünftigen Kräfte der Mitte und des Progressiven resistent gegen „Lehren aus der letzten Wahl“ (Leitartikel Thomas Cik, 11. 6. 2024)und Beratung sind und sehenden Auges, vielleicht auch unbewusst in ein demokratiepolitisches Desaster laufen.

Destruktiv-politischen Kräften sind konstruktive Impulse entgegenzusetzen, die kommunikative „Einheiten“ stiften, positive gesellschaftliche „Visionen“ (Projekte, zukunftsweisende „Erzählungen“) entwerfen und die nicht Ausdruck politischer Arroganz sind. Zum Konstruktiven gehört natürlich auch die Wertschätzung von Bildung (in sie müssen massiv finanzielle Mittel investiert werden), die die Resilienz gegen politisch-destruktive „Verführungen“ stärkt.

Hoffen wir, dass Eros stärker ist als Thanatos.
Andreas Rakowitz, Völkermarkt

Interessante Frage

Leider ist es sehr wahrscheinlich, dass Bruno Kathollnig mit seiner „Außensicht“ recht hat, wonach die Wähler populistischer Parteien an der Urne gegen ihre eigenen Interessen entscheiden. Um das zu überprüfen, sind die Medien als vierte Gewalt in der Demokratie speziell in Wahlkampfzeiten da: Wie hat beispielsweise die FPÖ in allen für ärmere Schichten relevanten Bereichen in der laufenden Legislaturperiode abgestimmt? – Auf das Ergebnis dieser wichtigen Recherche kann man gespannt sein.
Mag. Emma Spöcklberger, St. Paul

Brecht-Zitat

Ich schätze die Werke von Bert Brecht sehr und finde, dass Herr Kathollnig ihm mit dem völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat aus dem „Kälbermarsch“ unrecht tut. Der „Kälbermarsch“ ist eine zu Musik und Text des „SA marschiert“-Nazipropagandaliedes geschriebene Persiflage, bezieht sich auf die Situation der Menschen unter Hitler und dem NS-Regime. Ich bedaure die Verwendung eines solchen Kunstwerkes, verstümmelt für eine Kritik an heutigen, populistischen Parteien!
Gundula Jochim-Stammsen, Kötschach-Mauthen