Ungiftige Schlangen müssen sich etwas einfallen lassen, um Feinden zu entkommen. Die in Südostasien beheimatete Binden-Riednatter hat sich einen bisher nur sehr selten beobachteten Fluchtmechanismus angeeignet: Sie schlägt Räder. "Bisher gab es nur einzelne Berichte über dieses Verhalten", heißt es in einer Studie der Universität Malaysia Sabah in Kota Kinabalu. "Dies ist das erste Mal, dass es mit Bildern dokumentiert und ausführlich beschrieben wurde."
Im August 2019 stießen der Biologe Evan Seng Huat Quah und sein Team im Bundesstaat Kedah im Nordwesten von Malaysia zufällig auf eine Binden-Riednatter (Pseudorabdion longiceps), als diese eine Straße überqueren wollte, heißt es in der im Fachmagazin "Biotropica" veröffentlichten Studie. Als sich die Gruppe ihr näherte, sei die Schlange aufgeschreckt und habe ihren Körper zu einer Art Schleife gewunden. Dann habe sie begonnen, sich in die Luft zu werfen. In weniger als fünf Sekunden sei sie in radartigen Bewegungen etwa 1,5 Meter die Straße heruntergerollt.
Die Wissenschafter fingen das Tier daraufhin ein und platzierten es auf einer ebenen Fläche am Straßenrand. Dort habe die Schlange erneut Räder geschlagen - dieses Mal fotografiert und dokumentiert von der Forschergruppe. Die plötzlichen Radschlagbewegungen dienten wahrscheinlich dazu, Raubtiere zu erschrecken und zu verwirren, um so wertvolle Zeit für die Flucht zu gewinnen. "Dies ist wiederum ähnlich dem Verhalten gliedloser Reptilien, die Sprünge machen, wenn sie in die Enge getrieben werden." Ein Beispiel sei die Schlanke Glasschleiche, eine beinlose Echse. Rollende Bewegungen seien aber in der Natur selten, hieß es.
Die Binden-Riednatter wird nur maximal 23 Zentimeter lang und lebt vor allem in Indonesien, Malaysia, Singapur, Thailand und den Philippinen. Sie ist ein nachtaktives Tier, das sich tagsüber unter Laub oder Baumstämmen und Steinen versteckt. "Wir glauben, dass dieses Verhalten bei anderen kleinen Schlangenarten verbreitet sein könnte, insbesondere bei Mitgliedern der Unterfamilie Calamariinae", sagte Quah. Jedoch fehle es an Aufzeichnungen, da das Beobachten dieser scheuen Arten eine große Herausforderung sei.