Chanel hob ab. Fauchend und funkensprühend schob sich am Dienstag das Unterteil einer riesigen Rakete in der Laufsteg-Mitte gen Himmel. Die Schau der von Karl Lagerfeld entworfenen Pret-a-porter-Kollektion für Herbst/Winter 2017 war wie so oft eine der spektakulärsten der Pariser Modewoche.
Passend zum spacigen Ambiente zeigte Lagerfeld viel Sternenglitzer. Kleider und Kostüme, unter deren Röcken sportliche Bermudas hervorlugten, kombinierte er zu silberschillernden flachen Stiefeln. Es gab Tweed und Strick in silbrigen Grau und Blautönen und dazu die mädchenhafte Silhouette der späten 1960er-Jahre. Modisch stand das ziemlich im Kontrast zu dem, was sonst zur Zeit Paris beschäftigt. Offensichtlicher Luxus ist vielen zu abgehoben. Stattdessen gibt es einen ins Extrem getriebenen Straßenlook.
Anderswo flatterten Papiere zu Boden. Wo sonst brave Studenten lernen, regierte eine Streetgang: Die Schau der "Fenty"-Kollektion von Popstar Rihanna für den Sportartikelhersteller Puma am Montagabend in der alten Bibliothèque Nationale war atemberaubend. Zunächst das noble Ambiente, dann der in coole Übergrößen gezerrte Sportswear, der aufgesexte College-Look, die wild gemischten Formen. Und natürlich Superstar Rihanna selbst im kanariengelben Mantel, als Designerin bejubelt auf dem Laufsteg.
Sportklamotten aus Nylon
Diese Schau brachte die Umwertung des Bisherigen in der Fashion-Szene auf den Punkt. Eine Art Anti-Mode ist allgegenwärtig - Sportklamotten aus Nylon, Übergroßes, Quietschbuntes, Netzstrümpfe und Plastik-Stiefeletten. Normcore trifft Sankt Pauli. Bei den Gästen kann man kaum noch unterscheiden, wer ein Mode-Ignorant und wer ein Fashion-Victim ist.
Auf den Laufstegen zeigen Designer wie die Chinesin Masha Ma schrille Fetischmode, oder der Amerikaner Rick Owens punktet mit Kleidern aus Daunenschlafsäcken. Wer am Montag bei dem Wiener Designerduo Wendy & Jim vorbeischneite, sah sich mit einer Installation aus "pinkelnden" Wasserschläuchen und Models einmal im schrägen "Pofrei"-Kleid, einmal mit einem Rattenaufdruck-Entwurf konfrontiert.
Den Stein ins Rollen gebracht hat die Kultmarke Vetements. Die wurden vor eineinhalb Jahren schlagartig bekannt durch die Aufwertung des Banalen, mit ihren Shirts mit "DHL"-Aufdrucken. Doch vor allem haben sie den Trend zu "Oversize", zu Kleidung in Übergrößen, zu schrillen Farben sowie zu Streetwear ausgelöst.
"In den letzten Saisons hat definitiv ein Paradigmenwechsel stattgefunden", sagte Mario Eimuth, Gründer des Online-Luxushändlers Stylebop und einer der wichtigsten Einkäufer Deutschlands. "Initiiert worden ist dieser durch Vetements." Die modische Silhouette habe eine nachhaltige Veränderung erfahren. "Auf den übermüdeten Luxus folgt jetzt eine Gegenbewegung, die mit den Codes des Normalen oder gar Lächerlichen spielt", kommentierte Alfons Kaiser, Mode-Experte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Das Imperium wird bald zurückschlagen
Doch eins ist klar: Das Imperium wird bald zurückschlagen. Schon jetzt gibt es einen Gegentrend, hin zu neuer Eleganz. Das bewies zum Beispiel die Schau des Modehauses Hermes. Grafische Formen, schwingende Capes, Karottenhosen und Maxiröcke in fantastischen Farbkombinationen (etwa Türkisgrün und Khaki oder Pink und Lila zu Grün) nahmen den Oversize-Trend auf. Aber eben nicht schräg, sondern als wahrer Augenschmaus.
Die tadellose Ästhetik der Schau von Akris zeigte dies ebenso. Ausgehend von zwei Werken des kanadischen Künstlers Rodney Graham hatte Akris-Designer Albert Kriemler seine Entwürfe ganz in Zeichen von Mantel und Tasche gestellt. Das erwies sich als Renner: Mäntel, einer schöner als der andere, ob als Edelbomber mit dicken Strickärmeln, als dunkelblaue Cabanjacke, als zartes Trenchcoat-Kleid aus beerenrotem Chiffon, als bodenlanger Offiziersmantel in Salz-und-Pfeffer-Optik oder als geschorene Felljacke, rauschten über den Laufsteg. Das war selbstverständlicher Luxus, der nie in Überdruss ausartet.