Herr Reinberger, wie hat Ihr Arbeitstag bisher ausgesehen?
THOMAS REINBERGER: Kaffee mit ein wenig Milch ohne Zucker. Dann war ich im Kostümfundus einer Kollegin für Vintage-Originale von Saint Laurent und Valentino.

Wie darf man sich den Berufsalltag eines Stylisten allgemein vorstellen?
REINBERGER: Viel „Büro-to-Go“. Kollektionen und Trends recherchieren. Mit Showrooms und Designern kommunizieren. Kuriere und Botendienste avisieren. Fittings vereinbaren und während der Modewochen versuchen, günstige Flüge und das bestmöglich Hotel für wenig Geld zu bekommen.



Sie haben sich unter anderem als Modejournalist und Fashion Director von Conchita Wurst einen Namen gemacht. Bis vor Kurzem gab es in Österreich aber keine Ausbildung zum Fashion Stylist, wie haben Sie es damals geschafft, Fuß zu fassen?
REINBERGER: Ich selbst war ein absoluter Quereinsteiger mit einer Passion für Mode seit frühester Kindheit. Zu Beginn meines Schaffens hatte ich eine Agentur, die mich vertreten und unterstützt hat. Ebenso haben viele damalige Moderedakteure, Fotografen und PR-Profis mein Potenzial gefördert. Dafür bin ich bis heute sehr dankbar.

Sie leiten seit Anfang Oktober am Wifi Wien den ersten Lehrgang zum diplomierten Fashion Stylist. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
REINBERGER: Da ich bereits einen Teilbereich im dortigen „Make Up Artist“-Lehrgang unterrichte, kenne ich den Ablauf sehr gut. Ich darf der kreative Kopf sein, während mir das Wifi-Team mit einem fundierten Administrationsapparat den Rücken frei hält. Im speziellen Ressortleiter Florian Raspel. Ohne diese weitreichende Unterstützung wäre diese Ausbildung nicht möglich geworden.

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Wie sieht denn die Berufsausbildung zum Fashion Stylist in anderen Ländern aus?
REINBERGER: Da gibt es viele Variationen. Ebenso als eigenständige Ausbildung oder als zusätzliches Modul zu einem Designkolleg. In beinahe jedem Land gibt es tolle Möglichkeiten für junge Kreative.

Sind Diplome in diesem Bereich wichtig oder reicht es „einfach“ begabt und kreativ zu sein?
REINBERGER: Diplome sind weder ein Freifahrtschein noch eine Garantie für Erfolg. Sie sind ein greifbarer Abschluss für Mühe und Schweiß der vergangenen Monate.

Wie darf man sich den Stundenplan von den angehenden Fashion Stylisten vorstellen?
REINBERGER: Einerseits „Know-How“-Tage in den Räumlichkeiten des WIFI Wien. Andererseits „Go & See’s“ bei PR Agenturen, in Showrooms und Kostümfunden, bei Designern und Moderedaktionen. Gespickt mit Kooperationspartnern, die diese Ausbildung mit ihrer Fachexpertise bereichern.

Was wollen Sie den Teilnehmern unbedingt vermitteln?
REINBERGER: Die aktuellen Bedürfnisse der einzelnen Facetten dieser Branche zu verstehen. Ebenso ein realistischer Blick hinter die Kulissen.

Welche Eigenschaften muss man als Stylist mitbringen?
REINBERGER: Belastbarkeit, Offenheit, Teamgeist, Flexibilität, Durchhaltevermögen, soziales Feingefühl und Hausverstand. Letzterer ist – wie überall - bereits die halbe Miete.

Sie verwenden oft den Begriff „Story Dressing“. Was darf man darunter verstehen?
REINBERGER: Jeder Schuh, jedes Outfit teilt dem Betrachter etwas mit. Ich sehe mich als Geschichtenerzähler und meine Sprache ist die Mode.

Welche Chancen bieten sich den Absolventen?
REINBERGER: Jeder, der ein gutes „Produkt“ zu bieten hat, kann erfolgreich sein. Das Angebot ist vielfältig, unterscheidet sich aber oft im Arbeitsalltag. Ein Stylist oder Kostümdesigner für Werbung muss andere Kriterien erfüllen als ein Stylist, der für Red Carpet- Kunden tätig ist, oder Editorials für Magazine produziert. Der Markt ist da. Freilich kann auch fächerübergreifend und international gearbeitet werden.

Welche Jobs können die Absolventen nach dem Lehrgang übernehmen?
REINBERGER: Wie schnell man sich einarbeitet und wieder gebucht wird, liegt an einem selbst. Aus vielen Jobs heraus eröffnen sich zusätzliche Facetten und Möglichkeiten. Einige der Möglichkeiten wären Editorials für (Mode)Magazine; Shootings für Werbekampagnen; Kostümdesign für Oper, Film oder Theater; Celebrity Kunden; Personal Styling im Privatkundenbereich; Styling oder Kostümdesign bei einem TV Sender; Styling für Events, Show-Acts, Musikvideos . . .

Wie groß ist der Einfluss von Social Media für das Verbreiten von Ideen und das Entdecken von Trends?
REINBERGER: Enorm! Man sollte seine sozialen Kanäle aber nicht überstrapazieren.

Kann man die Modewelt heute eigentlich noch neu erfinden oder gibt es einfach nur noch Variationen?
REINBERGER: Muss sie denn neu erfunden werden? Ich erfreue mich an zeitgenössischem Design eben so wie an den Grandseigneurs der 20er- und 30er-Jahre. Wer sich tiefschürfend mit Mode befasst wird schnell merken, dass man vergeblich nach einem Anfang und einem Ende sucht.