Ich höre schon den leichten Vorwurf in Deiner Stimme, Mama: Wann kommst Du denn endlich? Seit ein paar Jahren rufe ich Dich jeden Tag an und versuche, zumindest einmal im Monat nach Hause – zu euch nach Tirol – zu kommen. Und jetzt war ich schon seit Wochen nicht mehr da. Wo ich doch weiß, was das im Moment bedeutet: Seit Beginn der Coronakrise ist euer Tageszentrum geschlossen, sitzt ihr zu Hause und wartet.

Darauf, dass die Sonja, die Frau von Deinem Ältesten, der selbst gesundheitsbedingt nicht mehr daheim, sondern in einem Heim lebt und derzeit nicht besucht werden darf, mit den Lebensmitteln herein- bzw. auf einen Kaffee herunterkommt. Und mit Dir Karten spielt, Mama. Darauf, dass auch der Otmar, mein „kleiner“ Bruder, hätte ich fast geschrieben, aber natürlich ist er nur der jüngere, oder die Roswitha, Deine Schwester, bei der Tür hereinschneien. Auch wenn das bei der Ausgangssperre, die in Tirol gegolten hat, eine Zeit lang ein Ding der Unmöglichkeit gewesen ist.

Und darauf, dass ich Dich irgendwann nicht mehr vertrösten werde: Dauert ja nicht mehr lange, Mama. Ich komm dann wieder, versprochen. Es geht Dir ja gut. Schau, es gibt Menschen, die krank sind, aber Du und der Papa ...

Ja, der Papa, der hat’s im Moment fast leichter. Für ihn reicht es, wenn die Sonne scheint, er draußen sitzen kann. In seiner Welt, die mit der Demenz immer kleiner geworden ist, erfüllt ihn diese Wärme schon mit Zufriedenheit. Vor allem, wenn Du in der Nähe bist. Erst gestern, hast Du am Telefon erzählt, hat der Papa wieder gesagt, wie schön es ist, dass er Dich hat. Wie gut, dass ihr nach 65 Jahren Ehe noch so gschaffts (tirolerisch: zusammenhalten, sich mögen) – und Du empfindest es genauso.

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Aber für Dich ist nicht nur der Papa ein ständiger Begleiter, sondern auch die Angst. Das können auch die Tabletten, die der Walter vom Psychosozialen Dienst jede Woche verlässlich einräumt, nicht ganz wettmachen. Jeden Morgen, erzählst Du, steigt sie auf in Dir, diese Angst: Wie es weitergehen soll, ob Du das wohl noch alles schaffen wirst?

Und dann fragst Du wieder: Wann kommst Du? Bald, Mama.
Ich hab euch lieb

Beate