Königskind. Das klingt nach Märchen, wenn man es romantisch verklären mag, oder nach einem goldenen Löffel, wenn man es missgünstig meint. In beiden Fällen wird es der Wirklichkeit nie gerecht. Wie auch? Dem Außenstehenden bleibt statt des Froschkönigs nur die Froschperspektive und die eignet sich im Blick von unten nach oben schlecht für eine profunde Analyse. Aber dafür wirkt alles übergroß, übermächtig und strahlend. Die Graustufen dahinter sieht man nicht. Dafür schillert das Thema ein bisschen zu sehr. Das Royal Business ist immerhin die Nabelschnur eines ganzen Unterhaltungszweiges. Der mag Höhen und Tiefen haben, läuft aber so zuverlässig wie eine frisch geschmierte Zugbrücke.
Erstaunlicherweise mangelt es nicht an Nachschub, Pardon, Nachwuchs: Herzogin Meghan und Prinz Harry erwarten rund fünf Monate nach ihrer Hochzeit ein Kind. Während das Land in den Brexit-Wehen liegt, sorgt das Haus Windsor für die positiven Nachrichten. Längst haben zwei royale Sprösslinge das Ruder übernommen, deren Leben viele Jahre massiv durch die ihnen zugedachte Rolle gelitten hat. Die Brüder William und Harry gingen mit ihren Eltern Charles und Diana durch den Scheidungskrieg und mussten Jahre später ihre Mutter begraben. Ein Bild, das um die Welt ging: die Brüder vor dem Sarg ihrer Mutter.
Dass sich dieser tiefe Graben zwischen Öffentlichkeit und Privatheit je schließen lassen würde, war keine ausgemachte Sache. Doch Queen Elizabeth II. die durch ihr Verhalten nach dem Tod Dianas massiv in der Kritik stand, erkannte, dass man in den Popstar-Modus umschwenken muss. Queen oder Queen? Es mag Unterschiede geben, aber in Summe war da ein Gleichklang: „The show must go on“. Bevor die royale Disruption einsetzen konnte, erlaubte sie ihren beiden Enkeln die einzig richtige Performance: „I want to break free“. Eine schwierige Nummer, wenn man ein System verändern muss, dessen Fundament die Kontinuität ist. Doch der Spagat ist über die Jahre gut geglückt: Man macht da wie dort ein Türchen auf – und lässt andere einfach zu. Stichwort: Königskinder.
Prinz William und Frau Catherine zeigen ihre drei Kinder George, Charlotte und Louis zwar durchaus her, aber zu ihren Bedingungen. Die Bilder werden von ihnen selbst oder ausgewählten Fotografen gemacht und über alle Medienkanäle verteilt. Danach sind sie ohnehin ein Selbstläufer.
Nach dem Verlust der realen Macht ist die mächtigste Waffe europäischer Adelshäuser die Repräsentation, das ist der Job, den es zu erledigen gilt. Auf den ersten Blick unterscheidet sie vielleicht nicht sehr viel von Popstars, aber der zweite Blick zeigt doch den Unterschied: Popstars schaffen den Aufstieg und zelebrieren den Glamour, Royals schaffen scheinbar Abstieg und Angleichung zum Bürger und negieren den Glamour. Nur so schafft man die perfekte Projektionsfläche. Und die ermöglicht einem zumindest ein gewisses Maß an Freiheit. Verglichen mit den Königskindern früherer Zeit ein angenehmer Luxus: War man nicht mit der Thronfolge an der Reihe, so war man fixer Bestandteil der Hochzeitspolitik. Zur Perfektion hat das ausgerechnet eine Österreicherin gebracht: Maria Theresia, sie hat ihre 16 Kinder in die halbe Welt verschickt und so ihr Reich geschickt vergrößert.
Da hat es die junge Garde der britischen Royals bequemer. Die Umfragewerte im Hoch und Könige der Herzen auf Instagram (@kensingtonroyal). Und wer weiß, vielleicht kommt die Monarchie in Zeiten des Brexits ja bald wieder so richtig in Mode?