Laut und trocken knirscht er, der Schnee unter den schweren Stiefeln. Die Nacht, sternenklar, kalt ist die Luft, kein Lärm durchbricht die Nacht - es herrscht Stille. Vielleicht ließ sich der Priester Joseph Mohr im Jahr 1816 von einem nächtlichen Heimweg in einer Winternacht zu dem Gedicht inspirieren, das, vertont durch den Lehrer Franz Xaver Gruber, zum wohl weltweit berühmtesten Weihnachtslied avancieren sollte: "Stille Nacht, heilige Nacht".

Das Lied bildet den Endpunkt einer langen, beschwerlichen Reise. Doch vom Wehklagen ist keine Spur, es ist eine Ode an die Ankunft und an einen Neubeginn - ungeachtet aller bisherigen Strapazen. Rund zwei Milliarden Menschen singen "Stille Nacht, heilige Nacht" alljährlich zur Weihnachtszeit, erliegen gerade am Heiligen Abend selbst der Magie des Liedes. Es sind ganz andere Formen der Beschwerlichkeit, die uns heute durch den Advent treiben - die Schwere der Pakete ist nur eine davon. Jedoch die Sehnsucht nach dem Ankommen, nach Geborgenheit, der Ruhe, der Stille ist gleich geblieben. All das scheint das Lied in sich zu vereinen.

Ein internationaler Welthit

Nur auf den ersten Blick ist es paradox, wie der einfache Text, gepaart mit einer sehr einfachen Musik, zum - salopp gesagt - internationalen Welthit avanciert ist. Popexperten würden hier kontern: Genau das ist die wahre Kunst. Auch für Michael Neureiter, Präsident der Stille-Nacht-Gesellschaft, die sich um die Erforschung und Bewahrung des Liedes kümmert, ist gerade die Einfachheit Erfolgsgarant. Wobei mit Einfachheit hier nicht unbedingt die gesangliche Interpretation zu sehen ist. Nur in den wenigsten Familien dürften am 24. Dezember vor dem Christbaum die Stimmbänder und Lungen bei der Zeile "Schlafe in himmlischer Ruh!" gegen Ende hin im Einklang schwingen.

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Hier zeigt sich auch die erstaunliche Resistenz des Liedes, ob laut gebrummt, hoch gequietscht oder mit Rap unterlegt - dem Lied kann nur wenig etwas anhaben. Doch eine Disharmonie macht Neureiter schnell aus: "Das Lied darf sich nicht in Lieblichkeit erschöpfen", appelliert der Salzburger, doch alle sechs Strophen des Liedes zu singen. "Die Funktionen des Liedes, darunter der Appell ,Und als Bruder huldvoll umschloß Jesus die Völker der Welt', gehen sonst verloren", sieht Neureiter das Werk nicht nur als Botschaft der Menschwerdung Christi und als Element der Festkultur, sondern vor allem auch als internationales Friedenslied.

Ein Lied für den Frieden

Schon die Entstehung des Liedes ist unter diesem Licht zu sehen, litt das Land um 1818 noch unter den massiven Folgen der napoleonischen Kriege: Oberndorf war zerstört, die Menschen lebten in bitterer Armut. Dieses Signal, die Hoffnung auf Frieden, gilt es, gesanglich in die Welt zu tragen. Die Grundlagen sind längst geschaffen, in über 300 Sprachen ist "Stille Nacht, heilige Nacht" bereits übersetzt. International vernetzt ist auch die Stille-Nacht-Gesellschaft. Ausgehend von Salzburg, reichen die Korrespondenzen und Mitglieder von den Niederlanden bis in die USA. Ein einfaches Lied aus dem Salzburger Land hat demnach schleichend die Welt erobert. Doch wie still ist es beim Chef der Stille-Nacht-Gesellschaft kurz vor Weihnachten? Neureiter kostet das nur einen Lacher, als Experte für historische Turmuhren kann er manuell die Zeit anhalten. Und schon ist es wieder still.