Es gibt nicht die Jugend, heißt es in der Jugendforschung. Denn die Jugend sei als Gruppe zu heterogen. „Dennoch sprechen wir weiterhin davon, denn die teils sehr unterschiedlich tickenden Jugendlichen insgesamt haben untereinander mehr miteinander zu tun als mit älteren Generationen“, erklärt die Expertin für Jugend und Generationen, Beate Großegger. Sie ist Mitbegründerin des Instituts für Jugendkulturforschung in Wien und dessen wissenschaftliche Leiterin und arbeitete auch schon an der „Shell“-Studie mit, der maßgeblichen Forschungsarbeit im deutschen Sprachraum zur Frage, wie die jüngeren Menschen ticken.
Die soeben veröffentlichte aktuelle Shell Jugendstudie trägt den Untertitel „Pragmatisch zwischen Verdrossenheit und gelebter Vielfalt“ . Das Bild der Menschen im Alter von 12 bis 25 Jahren ist zwar vielschichtig, „aufgrund der Krisenerfahrungen der vergangenen Jahre zeigt sich allerdings durchgängig eine große Zukunftsunsicherheit“, sagt Großegger. Die Jüngeren hätten nicht mehr das Gefühl, dass sie es einmal besser haben werden als ihre Eltern. „Wir leben nicht mehr in einer Gesellschaft der ungebremsten Wachstumslogik: Das ist heutzutage auch für junge Menschen in privilegierten Milieus spürbar“, erläutert die Expertin.
Sicherheit und Wohlfühl-Arbeitsplatz
Die jüngere Generation lege daher viel mehr Wert auf Sicherheit. Das gelte auch in beruflicher Hinsicht. Der Wunsch nach finanzieller Absicherung und einem krisensicheren Arbeitsplatz sei wesentlicher als der Wunsch nach Selbstverwirklichung im Beruf. Und: Die jungen Leute suchen einen Arbeitsplatz, an dem sie sich wohlfühlen, denn wenn die Welt draußen schon aus dem Lot gerate, wolle man nicht auch noch im Beruf Probleme mit Kollegenschaft oder Vorgesetzten haben.
„Die Jüngeren sind eine krisenerprobte Generation, die sich genau überlegt, wie sie es schafft, trotz der zahlreichen Herausforderungen eine gute Zukunft aufzubauen“, resümiert die Sozialforscherin. Es herrsche das Gefühl vor, dass man ständig am Ball bleiben müsse, sonst komme man unter die Räder. Letztlich sei jeder seines Glückes Schmied, das sei die vorherrschende Meinung. „Das ist in Deutschland nicht viel anders als in Österreich“, sagt die Expertin. Spürbar sei aber auch, dass die Ideale unserer Gesellschaft kleiner werden, etwa Solidarität mit Schwächeren. Denn im Zuge der vielen Krisen, würden auch bei jedem die Ressourcen schwinden: „Man hat nicht mehr die Kraft, sich auch noch für andere zu engagieren“, sagt Großegger.
Soziale Herkunft wieder schlagend
Im Sommer führte das Institut für Jugendkulturforschung eine Studie zum Thema „Wie wir leben wollen“ durch, die zeigte, dass junge Menschen „in der biografischen Phase des Fußfassens“ heute sehr gefordert sind: „Die jungen Leute haben Hoffnung auf ein gutes Leben, sorgen sich aber, wenn sie daran denken, was es alles dazu braucht: materielle Existenzsicherung, Qualifikationen, Gesundheit, wobei unter Jugendlichen körperliche Gesundheit nicht so ein Thema ist wie psychische Gesundheit. Es braucht ein gutes Familienleben, gute Freunde, und wenn‘s einmal nicht so klappt, wäre der Sozialstaat gefragt. Das sind, kurz umrissen, die Themen der heutigen Jugendlichen in Österreich“, erklärt die Expertin. Auffällig: Ein Gutteil der Jüngeren wünsche sich, dass wir Älteren einen Plan für ein gelingendes Leben hätten, weil sie sich überfordert fühlen.
Wovor die Sozialforschung schon lange warnt, sei jetzt evident: Die soziale Herkunft hat wieder stärkere Bedeutung, was den Bildungsaufstieg betrifft. „Die Bildungsexpansion Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre ist lange her. Seit der Jahrtausendwende spielt die Herkunft wieder eine große Rolle, ob du Matura machst oder nicht. Wir warnen schon lange davor. Für Österreich ist das nichts Neues“, sagt Großegger.
Auch KI, Künstliche Intelligenz, sei ein großes Thema: Es geht um die Frage, wie sie Berufsfelder - vor allem in akademischen Berufen - verändert. „Während der Ausbildung werden Chat GPT und andere IT-Tools zwar gern ausgenützt, aber viele fragen sich, wie sich Berufe in Zeiten der KI verändern“, sagt die Sozialforscherin. Jung und Alt fragen sich das. Die Kluft zwischen Alt und Jung werde dadurch aber nicht kleiner. Großeggers Resümee: „Es scheint, wie es immer war, und trotzdem ist alles anders.“