Anfang des Jahres ging ein 92-jähriger Ire als kleine Gesundheitssensation durch die Medien. Ärzte und Sportwissenschaftler hatten dem Mann die körperliche Fitness eines 30- bis 40-Jährigen attestiert. Sein Geheimnis? Er hatte mit 73 Jahren mit dem Rudern angefangen und regelmäßig trainiert. Heute ist er mehrfacher Indoor-Ruderweltmeister in seiner Altersklasse.

„Beim Alter sind prinzipiell keine Grenzen gesetzt“

Dem Rudern und Paddeln werden schon lange positive Eigenschaften nachgesagt. Es trainiert fast den ganzen Körper, ist dabei gelenkschonend und kaum verletzungsanfällig. Das bestätigt auch Robert Fritz, medizinischer Leiter der Abteilung Training in der Sportordination in Wien. „Das Besondere am Rudern und Paddeln ist, dass man hier Ausdauer und Kraftausdauertraining in einem hat“, erklärt Fritz. „Je nachdem, wie ich das Training auslege, kann ich mehr die Herz-Kreislauf- oder die Kraftkomponente betonen.“ Das Rudern beansprucht einen großen Teil der Muskulatur, vor allem im oberen Körperbereich. Je nach Ruderkategorie können beim Bewegungsablauf die Beine mehr oder weniger stark involviert sein. Auch beim Alter sind prinzipiell keine Grenzen gesetzt, soweit man gesund ist.

Robert Fritz, Sportmediziner aus Wien
Robert Fritz, Sportmediziner aus Wien © KK

Dennoch warnt der Mediziner davor, die Belastung auf die leichte Schulter zu nehmen: „Personen mit Erkrankungen des Herzens, Menschen, die einen Herzinfarkt hatten oder an nicht gut kontrolliertem Bluthochdruck leiden, sollten sich unbedingt vorab vom Arzt untersuchen lassen“, betont Fritz. Auch Menschen mit einem akuten Bandscheibenvorfall sollten im Vorfeld einen Physiotherapeuten oder Sportmediziner aufsuchen. „Wenn aber der Rücken nur ab und zu vom langen Sitzen zwickt, dann ist Rudern sogar sehr positiv, weil es praktisch die gesamte Rückenmuskulatur aktiviert.“

Positive Wirkung auf die Psyche

Ein Vorteil des Ruderns, der neben den körperlichen oft vernachlässigt wird: Der Sport hat eine positive Wirkung auf die Psyche. „Man macht gleichmäßige, sich wiederholende Bewegungen, beim Teamrudern auch synchron mit anderen. Man ist in der Natur, auf dem Wasser, es ist sehr ruhig und man kommt ganz zu sich“, fasst Robert Fritz zusammen. Nicht zufällig berichten viele Hobbysportler von der meditativen Wirkung des Ruderns.

Mit dem Rudern verwandte Sportarten wie Kajak, Kanu und Stand-up-Paddling trainieren zusätzlich noch das Gleichgewicht. Anders als im Ruderboot sitzt oder steht man hier auf einem viel instabileren Untergrund, den man praktisch die ganze Zeit mit kleinen Bewegungen ausgleichen muss. Auch wenn das herausfordernder ist, ist es besonders für ältere Menschen zu empfehlen. „Das Stand-up-Paddeln ist ein sehr gutes Training für Koordination und Gleichgewicht. Das ist gerade im Alter sehr wichtig, denn je älter wir werden, desto weniger nutzen wir unseren Gleichgewichtssinn und dadurch lässt er nach“, erklärt Sportmediziner Robert Fritz. Wen das abschreckt, dem gibt der Mediziner eine Entwarnung: „Das Gleichgewicht lässt sich relativ schnell trainieren.“ Außerdem könne man beim Stand-up-Paddeln erst im Sitzen beginnen, dann im Knien und sich langsam bis zum Stehen hinaufarbeiten.

Die richtige Technik zählt

Dass der Rudersport grundsätzlich in jedem Alter erlernbar ist, bestätigt auch Hannah-Sophie Müller, Trainerin beim Ruderverein Nautilus in Klagenfurt am Wörthersee. „Die einzige Voraussetzung ist, dass man Schwimmen kann“, fügt sie hinzu. Bis man die Rudertechnik allerdings wirklich beherrscht, seien schon zehn bis zwanzig Einheiten notwendig, sagt Müller.

Was man bei seinen ersten Zügen im Ruderboot beachten sollte? Keine weite Bekleidung anziehen, weil man damit leicht am Boot hängen bleiben kann. Wie bei jedem Ausdauersport sollte man immer etwas zu trinken mitnehmen und im Sommer an eine Kappe denken. Bei Anfängern wird darauf geachtet, mit kürzeren Trainingseinheiten zu starten. „Man kriegt am Anfang leicht Blasen und kann sich auch überfordern, wenn man zu lange rudert. Deswegen starten wir anfangs mit drei Kilometern und machen mehr Technikübungen. Das steigert sich dann bis zwölf, vierzehn oder mehr Kilometer“, erklärt die Trainerin. So erreichen auch Anfänger schnell erste Erfolge.

Generell lautet die medizinische Empfehlung wie bei allen Sportarten: Wer schon länger keinen Sport gemacht hat, sollte langsam beginnen, regelmäßig trainieren und sich erst dann vorsichtig steigern. „Die meisten wollen zu schnell zu viel und starten nach dem Winter mit Vollgas durch. Das kann schnell zur Überbelastung führen“, warnt Sportmediziner Fritz. „Wenn ich lange keinen Sport gemacht habe und dann im Urlaub jeden Tag drei Stunden rudern gehe, ist das definitiv zu viel.“ Stattdessen solle man abwechselnd einen Tag trainieren und einen Tag Pause machen.

Der medizinische Rat passt gut zum eigentlichen Geheimnis des eingangs erwähnten 92-jährigen Ruderers: Der pensionierte Bäcker trainiert täglich „nur“ 40 Minuten und kommt auf 30 Kilometer pro Woche. Den Großteil der Zeit bleibt er dabei im unteren Intensitätsbereich. Fazit: Beständiges Training, ohne es zu übertreiben, bringt langfristig die größten Erfolge.