Wer kann schon von sich behaupten, alle Status (das Wort ist in der Mehrzahl gebraucht und lautet tatsächlich „status“, wobei das „u“ länger ausgesprochen wird als beim im Singular gebrauchten Wort „status“): Wer also kann schon von sich behaupten, alle Status vom ledigen Studenten zum zölibatären Priester, vom laisierten Priester zum standesamtlich verheirateten Ehemann und „aufgrund des Zurufs aus dem Volke“, also durch allgemeine Mutmaßung inklusive kirchenamtlicher Bestätigung vom verheirateten zum geschiedenen Ehemann durchlaufen zu haben?

Die Frage nach der zölibatären Lebensweise der Priester war eine verlässliche Begleiterin meiner theologischen Studientage, meiner ersten Kaplans- und späteren Priesterjahre. Dieses Thema schien die Menschen weit mehr zu interessieren als jedes andere noch so gründlich sonntags behandelte Kanzelthema.

Nach meinem ersten Kaplansjahr in Spittal an der Drau wurde ich im September 1980 ins Bischöfliche Knabenseminar Tanzenberg bei Maria Saal versetzt, um dort das Amt eines Religionslehrers und Erziehers anzutreten.

Von Spittal aus pilgerten Mitglieder aus der Pfarrgemeinde in Fahrgemeinschaften nach Unterkärnten, um während der Fronleichnamsprozession Fotos vom Kind ihres ehemaligen Kaplans zu schießen und diese dann als Schnappschusstrophäe mit nach Hause zu bringen.

In Spittal und Umgebung war damals nämlich das Gerücht entstanden, ich wäre aufgrund einer geheimen Vaterschaft „strafversetzt“ worden, wäre also dort über meine seelsorgliche Tätigkeit hinaus fruchtbar gewesen.

Dass es sich bei dieser tatsächlichen Vaterschaft um einen meiner Vorgängerkapläne gehandelt hatte, interessierte offensichtlich niemanden; jung war schließlich auch ich und dass mir damals eine solche Verletzung kirchlicher Vorschriften zugetraut wurde, kann ich erst heute als Kompliment betrachten.

Von diesem Gerede erfahren allerdings hatte ich erst Jahre später bei einem Besuch eines Orgelkonzertes in der Millstätter Stiftskirche. Beim Wiedersehen dort mit mir aus meiner Kaplanszeit in Spittal bestens vertrauten Mitgliedern des dortigen Pfarrgemeinderates wurde ich „nicht einmal ignoriert“. Hubert Luxbacher, mein Freund und ehemaliger Mitkaplan, versuchte mich mit den Worten zu trösten: „Wenn ich mir alles, was die Leute über mich reden, zu Herzen nähme, könnte ich mir gleich die Kugel geben.“

Im Jahre 2001 verabschiedete ich mich schließlich als Pfarrprovisor von meinen Pfarren Klein St. Paul, Wieting und Kirchberg im Kärntner Görtschitztal und wanderte über die Gleinalm und Mariazell in elf Tagen nach Wien, tauschte damit meine kirchliche Sorge um die Seele gegen die weltliche meiner psychotherapeutischen Praxis. Ein paar Monate später teilte ich dem Kärntner Diözesanbischof meinen „Verzicht auf die priesterliche Tätigkeit im Rahmen der kirchlichen Seelsorge“ mit.  

Fünf Jahre später nahm der Bischof von Gurk meine Erklärung zur Kenntnis und suspendierte mich von der Ausübung aller priesterlichen Tätigkeiten, fügte aber hinzu: „An die bei der Weihe geleisteten Versprechen bleiben Sie grundsätzlich weiterhin gebunden. Von diesen könnte Sie – wie Sie wissen – auf Ihren Antrag hin nur der Heilige Vater selbst dispensieren.“

Deshalb teilte ich dann am Gründonnerstag, dem 17. April 2014 in einem Brief an Papst Franziskus den vatikanischen Behörden den Termin für unsere am 7. Juli 2014 geplante standesamtliche Hochzeit mit und bat darin um die Dispens von der Verpflichtung zur zölibatären Lebensweise.

Blauäugig seit meiner Geburt hatte ich damals im Stillen darauf gehofft, dass ein neuer Papst aus Argentinien anders als der strenge polnische, inzwischen heiliggesprochene Papst auf die sternhagelvolle Verliebtheit eines seiner Priester reagieren könnte, nachsichtiger, milder, vielleicht sogar liebevoll!?

Eineinhalb Jahre später, im Juli 2015, kam die Antwort aus Rom. Nüchtern, sachlich, mit eindringlichen Ermahnungen: Ich müsse „weiterhin am Leben des Gottesvolkes in einer meinem neuen Lebensstand entsprechenden Weise teilnehmen, zu seiner Auferbauung beitragen und mich auf diese Weise als liebender Sohn der Kirche erweisen“; weiters wurde mir aufgetragen, als Priester, „der vom Zölibat dispensiert wurde, und erst recht ein Priester, der geheiratet hat“, den Orten fernzubleiben, „an denen sein früherer Status bekannt ist“, ein „Frömmigkeitswerk“ zu verrichten und eine dafür von mir zu bestimmende Geldsumme bekannt zu geben. Gerne habe ich deshalb bei der Unterzeichnung des Dokumentes das Entzünden einer Kerze vor dem Maria Pócs Altar im Wiener Stephansdom und den dafür entrichteten Betrag von € 0,75 bestätigt.

Kaum verheiratet, entstand in Kärnten das Gerücht, ich stünde kurz davor, mich von meiner Frau Jutta scheiden zu lassen. Und das, obwohl mir Peter Turrini, mein Trauzeuge, am Tag unserer standesamtlichen Hochzeit den Satz mit in die Ehe gegeben hatte: „Ich sage dir: Eine Scheidung kommt nicht infrage!“

Weil ich den Wunsch meiner Frau nach eigenen Kindern zu lange zu beharrlich ausgeschlagen hatte, sind wir beide kinderlos geblieben und haben diesen Zustand durch vier übernommene Patenschaften etwas abzumildern versucht.

Als ich im Sommer 2016 zur Übernahme unserer fünften Patenschaft in meiner Taufpfarre Altersberg im Kärntner Liesertal meinen eigenen Taufschein angefordert hatte, wurde mir darin die „Annullierung meiner Ehe am 2. Juni 2016“ bestätigt.

Anstatt nun im Taufpfarramt eine Korrektur zu beantragen, hatte ich mich damals dazu entschlossen, nach ein paar Jahren heiterer Gelassenheit während der Schreibphase zu diesem Buch einen weiteren Auszug aus dem Taufbuch zu beantragen, um sozusagen doppelt bestätigt zu bekommen, was de facto nie der Fall war.

Und so brachte mir der Postbote vor dem Heiligen Abend 2023 die Bestätigung des Taufpfarramtes Altersberg, dass unsere Trauung am 2. 6. 2015 stattgefunden hat.

Kirchenrechtlich betrachtet aber hat unsere Trauung überhaupt nicht stattgefunden, die standesamtliche bereits am 7. 7. 2014.

Ein dem russischen Schriftsteller Anton Tschechow zugeschriebenes Wort, das ich oft bei Trauungsansprachen verwendet habe, dabei allerdings nie auf die Idee gekommen wäre, es einmal für mein eigenes Leben gut gebrauchen zu können, lautet: „Das Glück der Verheirateten hängt auch von den Partnern ab, mit denen sie nicht verheiratet sind.“

Wer sich auf die Suche begibt nach weiteren Gründen für engagierte Gelassenheit, findet sie zum Beispiel im Eingangsbereich eines Heurigenlokals in der Südsteiermark: „Geh nur Deinen Weg! Frag nicht, was die anderen sagen! / Wenn dir Gott das Urteil spricht, wird er nicht die Leute fragen.“

Seccomalerei von Valentin Oman aus 1987 in der Seminarkirche in Tanzenberg. Arnold Mettnitzer war im dortigen Bischöflichen Knabenseminar Religionslehrer und Erzieher
Seccomalerei von Valentin Oman aus 1987 in der Seminarkirche in Tanzenberg. Arnold Mettnitzer war im dortigen Bischöflichen Knabenseminar Religionslehrer und Erzieher © Imago
Arnold Mettnitzer. Die Veredelung der Zeit. VerlagKneipp/Styria, 112 Seiten, 22,60 Euro.