Ob mit Sternenbanner oder Bierglas in der Hand, ob im US-Army-Outfit oder historischen Ritterkostüm – die Pilsner feiern gern und fröhlich. Das beschauliche Städtchen sieht mit seinen grandiosen Renaissance- und Barock-Palästen, die oft Jugendstil-Ornamente aufweisen, wie ein Freilichtmuseum aus, ist aber hinter den Kulissen und in den vielen Bierlokalen, wo man sich teilweise an den Tischen selbst ein Glas zapfen kann, sehr lebendig.
In der Geburtsstadt des berühmten Pilsner Urquells gibt es das prickelnde Gebräu gefiltert oder ungefiltert zu deftigen Fleischspeisen in charmanten Mini-Brauereien oder Bistros. Man wird als Tourist bald in eine fröhliche Runde aufgenommen werden und sich staunend fragen, wie die Tschechen mit einem Bierkonsum von 150 Litern pro Kopf und Jahr umgehen. Nur zehn Prozent der 10,5 Millionen Hektoliter Pilsner Urquell – im hochmodernen Abfüllraum der Brauerei werden 120.000 Flaschen pro Stunde abgefüllt – gehen in den Export. „Bier ist wichtiger Bestandteil der tschechischen Kultur“, sagt Daniel Spale von der Pilsner Brauerei, wo 1842 das vom bayrischen Braumeister Josef Groll kreierte erste untergärige Lagerbier seinen Siegeszug antrat.
Das Geheimnis des Pilsner Urquells erklärt Spale so: Das eigene Malz ist sehr süß, die Maische wird dreimal gemaischt und dreimal im Kupferkessel mit direkter Befeuerung gekocht. Der aromatische Hopfen wird dreimal hinzugefügt.
Einzigartig ist auch das Befreiungsfestival, bei dem mitreißende Stimmung herrscht in der Stadt, die einst wichtiger Handelsplatz und zweitreichste Stadt Böhmens war. Mit einem unbeschreiblichen Spektakel feiern die Pilsner seit 1995 die Befreiung von der Nazi-Besetzung durch die US-Armee im Jahr 1945. Eine Tatsache, die unter dem kommunistischen Regime verleugnet wurde.
Eine Swing-Klangwolke hängt drei Tage lang über dem Platz der Republik, einem der größten gotischen Marktplätze Europas, den die Kathedrale mit dem höchsten Turm Tschechiens dominiert, flanieren Männer in Army-Uniformen und Frauen in Nachkriegsmode durch die Stadt, die voller US-Armee-Jeeps ist. An der Parade nehmen Veteranen teil, die 1945 mit der 3. Armee unter General George S. Patton Jr. Pilsen befreiten. „Es bringt mich zum Weinen, wenn ich sie sehe. Es erinnert mich an die Erzählungen meines Großvaters, der so dankbar war für die Befreiung“, erzählt Helena Prokopová. „Jeder will im Konvoi sein. Es ist ein Ausnahmefest.“ Im US-Army-Camp sieht man sogar Panzer, die aus ganz Europa zusammengesammelt wurden. Manche sind echt historisch, manche Repliken, erzählen Milos und Viktor, die wie viele Mitglieder der Militärklubs das ganze Jahr an ihren Fahrzeugen basteln. Nachvollziehen kann man die Geschichte im Patton Memorial Museum.
Architektonische Besonderheiten enthüllt ein Spaziergang durch das denkmalgeschützte Zentrum mit dem außergewöhnlichen Renaissance-Rathaus, der auffälligen Synagoge, der drittgrößten Europas, dem Neorenaissance-Theater und vielen Neobarock-Häusern.
Wer die zwei lustigen schwarzen Figuren namens Spejbl und Hurvínek entdeckt, ist dem typischen Pilsner Puppentheater auf der Spur, das im interaktiven Marionettenmuseum lebendig wird. Das Theater Alfa mit seinen riesigen Puppen ist heute noch tätig. Für Familien ideal ist auch ein Besuch im spannenden „Techmania“ mit Experimentierstationen und 3D-Planetarium.
Wer noch Zeit hat, versäume nicht die barocke Perle in Kladruby: das ehemalige Benediktinerkloster von 1115 mit der einzigartigen Kirche Maria Himmelfahrt, die von Jan Blazej Santini im Stil der barocken Gotik wiederaufgebaut wurde. Darauf kann man nur voll Bewunderung das Glas erheben.
Elke Fertschey