Willi Reinbacher hat viele Talente. Beispielsweise kocht er Currys, bei denen selbst die verwöhntesten indischen Feinspitze vor Verzückung in die Knie gehen. Nur eines fällt dem drahtigen Mittvierziger, der aus Aich im Oberen Ennstal stammt, fürchterlich schwer: still sitzen. In seiner kultigen Strandbar „Wapalapam“ mitten in der atemberaubenden Kulisse von Le Morne Brabant im Südwesten von Mauritius lebt der Ausnahmekoch sein Konzept der internationalen Inselküche und sein Motto: „Eat different“ – anders essen.
„Bei mir gibt es alles Mögliche. Nur keine mauritische Küche und kein Wiener Schnitzel“, erzählt der quirlige Steirer mit breitem Grinsen. Mauritisch könne man auf der Insel schließlich an jeder Ecke essen, und wegen eines Wiener Schnitzels fliegt man nicht um die halbe Welt. Stimmt. Dass er mittlerweile um die halbe Welt fliegt, wenn er in die alte Heimat will, ist der Liebe geschuldet. Jener zur paradiesischen Insel Mauritius, aber noch viel mehr jener zu seiner Frau Gloria.
Mauritius ist ein kleines Paradies – und das „klein“ ist durchaus wörtlich zu verstehen. 2000 Quadratkilometer misst die Insel, die östlich von Madagaskar liegt, und damit um ein gutes Drittel weniger als der größte steirische Bezirk: Liezen. Vom landschaftlich spektakulären Südwesten der Insel, der auch zum Unesco-Welterbe zählt, bis in die Hauptstadt Port Louis braucht man mit dem Auto (Linksverkehr!) dennoch mindestens eineinhalb Stunden. Nicht unbedingt, weil es weit wäre, sondern eher, weil die Straße entlang der Ostküste ohne Fotopausen einfach nicht zu bewältigen ist.
Port Louis ist mit seinen knapp 150.000 Einwohnern eine pulsierende Stadt, die ihre Reize vor allem abseits der (kommerziellen) Touristenpfade offenbart. Die perfekte Begleitung für so einen Spaziergang ist Yianna Andoine, eine junge Mauritierin mit bezauberndem Lächeln und einem ebensolchen Talent zum Geschichtenerzählen. Für das Start-up „My Moris“ führt sie Touristen unter anderem auf kulinarischen Pfaden durch die Inselhauptstadt. Ebenso köstlich wie spannend, vor allem weil man auf ihren Touren alles Mögliche trifft, nur keine anderen Touristen. Gustiert wird dort, wo auch die Einheimischen essen. Meist in kleinen Garküchen am Straßenrand oder an Marktständen.
Ein Höhepunkt ist der Besuch eines chinesischen Restaurants, das für seine Dumplings (chinesische Teigtaschen) bekannt ist. Die Dinger sind gut, aber keineswegs die Hauptattraktion – die ist das Lokal selbst. Es liegt eingeklemmt in einem schmalen Schlurf zwischen zwei Häusern und ist gerade einmal 1,2 Meter breit. Wenn die Chefin mit einer neuen Ladung Dumplings aus der Küche im Hinterhof kommt, heißt’s Füße einziehen.
Mauritius hat eine ausgesprochen bewegte (und umkämpfte) Vergangenheit. Die Portugiesen waren da, dann die Niederländer und schließlich die Franzosen, die der Insel ihren Stempel (und das Zuckerrohr) aufdrückten. Die Franzosen zogen gegen die Briten den Kürzeren und mussten das Feld räumen. Zuckerrohr, Sprache und viele Erinnerungen blieben.
Heute lebt ein kunterbuntes Völkergemisch auf Mauritius. Die größte Bevölkerungsgruppe stellen Inder (rund 70 Prozent), dann kommen Kreolen, die Nachfahren afrikanischer Sklaven sind. Gemeinsamer Nenner quer durch alle Volksgruppen ist die herzliche Freundlichkeit der Menschen. Die Fremdenführer im botanischen Garten von Pamplemousses geben da ein perfektes Beispiel ab. Wo wir denn herkämen, will der eine (auf Englisch) wissen. „Autriche“, antworten wir, weil man sich auf Französisch die lästige Verwechslerei mit Australien spart. Da kommt’s wie aus der Pistole geschossen vom mauritischen Kollegen: „Aaaah! Apfelstrudel, Niki Lauda, Bruno Kreisky!“
Der Tourismus ist längst zum wichtigen Standbein geworden, das ist nicht zu übersehen. Viel Platz für Individualisten bleibt auf der Insel aber trotzdem. Zucker und Textilien tragen ebenso zum Wohlstand bei (und angeblich auch der eine oder andere Steuerflüchtling).
Berühmtheit hat die Insel nicht zuletzt als Traumziel für Hochzeitsreisende erlangt. Vor allem die modernen, luxuriösen Hotelanlagen im Norden der Insel bieten „Honeymoonern“, was das Herz begehrt.
Christian Nerat