Gäste fragen selten danach. Aber wenn, dann hat Ivan die Flasche Maraschino immer gleich parat. Und natürlich die Geschichte des Kirschlikörs, den historischen Schuss Lokalkolorit zum Hochprozentigen. „Maraschino wird aus Maraska-Sauerkirschen hergestellt, die es ursprünglich nur hier in der Region um Zadar gegeben hat“, erzählt der Kellner. Ein Exportschlager war der Likör aus der dalmatinischen Küstenstadt vor allem im 19. Jahrhundert. In beinahe jedem adeligen Haushalt zwischen St. Petersburg und London wurde daran genippt, ebenso auf der Titanic.

Produziert wurde der Original-Maraschino bis vor einigen Jahren im Herzen von Zadar. Das 1911 errichtete Fabriksgebäude direkt am Hafen ist leicht zu erkennen, von der Fassade grüßt noch immer der Firmenname „Maraska“. Der Rest erinnert gar nicht mehr an den Glanz vergangener Zeiten. Morbid statt mondän: Mauern und Balkone bröckeln, in den alten Büros nisten Möwen, die Wände der leeren Produktionshallen sind voller Graffitis.

„Ein Schandfleck“, räumt Ivan ein. Es existieren zwar Pläne eines Investors, aus dem Haus ein Luxushotel zu machen, in Angriff genommen wurden sie bis dato aber nicht. „Vielleicht 2021“, seufzt Ivan und schaut dabei drein, als würde er jetzt selbst gerne einen Schluck Maraschino nehmen.

Produziert wird der Likör nun in einer neuen Fabrik am Stadtrand. Das Unternehmen gehört zu einem bosnischen Konzern. Im ehemaligen Jugoslawien war es verstaatlicht, weshalb die frühere Besitzerfamilie Luxardo nach dem Zweiten Weltkrieg nach Italien auswanderte und dort seither ihren eigenen Maraschino produziert. In Zadar bevorzugt man das Original und kann mittlerweile sogar der Ruine schöne Seiten abgewinnen. „Wenn Gäste ein außergewöhnliches Fotomotiv in der Stadt suchen, schicke ich sie da hin“, verrät der Kellner.

600 Meter weiter nördlich findet man, ebenfalls an der Uferpromenade, ein zweites. Im öffentlich zugänglichen Park einer Villa steht die in Beton gegossene Nachbildung einer ägyptischen Sphinx. Mit ihren fünf Meter Länge und drei Meter Breite soll sie die größte in Europa sein. In Auftrag gegeben wurde die Skulptur 1918 vom damaligen Villenbesitzer Giovanni Smirich zur Erinnerung an seine verstorbene Frau.

Später hielt sich das hartnäckige Gerücht, die Sphinx sei die Tarnung für einen darunter versteckten Raum oder gar für einen Goldschatz. Im heurigen September schauten Archäologen nach, fanden aber nur die im Erdreich verborgenen Pratzen der Statue. Sie sind nun wieder zu sehen.

Von einer solchen Freilegung kann ein historischer Ort elf Kilometer nördlich von Zadar und erneut direkt am Meer nur träumen. In einer einsamen Bucht zwischen Kozino und Petrcane verwildern die Überreste der mehr als 800 Jahre alten St.-Bartholomäus-Kirche. Wegweiser und/oder Infotafel? Fehlanzeige.

Um das früher in der Art einer Wehrkirche befestigte Gotteshaus und den später als Wohnraum genutzten Turm aus der Nähe zu sehen, müssen sich Hobbyforscher zuerst durch das Dickicht kämpfen und dann vorsichtig sein. Auch die Mauern dieser Ruine bröckeln. Vorher bitte keinen Maraschino trinken!

Abends an der Hotelbar kann man aber gerne einen zweiten riskieren, um von Ivan noch einen Tipp zu bekommen, der in keinem Reiseführer steht: Zwichen Petrcane und Nin liegt die vom kroatischen Militär 1999 aufgelassene Raketenbasis Zaton. Der Küstenabschnitt des frei zugänglichen Geländes ist jetzt ein FKK-Badestrand, der Rest ein Abenteuerspielplatz für Jugendliche.

Man kann das insgesamt mehrere Hektar große Gelände sogar mit dem Auto erkunden. Durch abgelagerten Bauschutt absichtlich versperrt ist nur die Zufahrt zur genau einen Kilometer langen Start- und Landebahn. Die Barrieren sollen wohl illegale Autorennen verhindern.

2003 wurde das Areal entmint, wovon Gräben rund um die leer stehenden Hallen, Gebäude und Wachtürme zeugen. Am Wochenende können einem hier noch „Soldaten“ über den Weg laufen. In Tarnanzügen und mit täuschend echten, aber nur mit Farbkugeln bestückten Waffen wird Paintball gespielt. Diesen Umstand erwähnt Kellner Ivan vorab nie. Gäste, die von einem Ausflug mit einem unfreiwilligen Adrenalinschub kommen, sind wahrscheinlich gut fürs Geschäft der Bar.

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