Schöner kann man die Alpen kaum überqueren. Und das will etwas heißen, ist das Hochgebirge doch nicht gerade arm an Pässen. Aber der Simplon, der den Schweizer Kanton Wallis mit Italien verbindet, ist nicht nur eine Wanderung durch den Raum, sondern auch durch die Zeit. Eduard Brogli, Stadtschreiber in Brig, erzählt: „Der Simplon hat für uns Briger eine enorme Bedeutung. Als Tor zum Süden, wo die Zitronen blühen, und als einzigartige alpine Landschaft, wo wir schon als Kinder gelernt haben, Ziegen zu hüten.“

Sein „Basislager“ kann man am Pass selbst, aber auch in den Talorten Brig-Glis im Norden oder Gondo auf der Südseite aufschlagen. Beide garantieren mit ihren Kulturschätzen auch entsprechende Schlechtwetterprogramme, sind aber vor allem Ausgangspunkte für eine Wanderung über den ganzen Simplon.

Ausgangspunkt der Passwanderung auf der Nordseiteist Brig-Glis mit dem Stockalperschloss
Ausgangspunkt der Passwanderung auf der Nordseiteist Brig-Glis mit dem Stockalperschloss © hanseat/stock.adobe.com

Eine rund dreitägige Zeitreise – vom Stockalperschloss in Brig zum Stockalperturm in Gondo – beginnt mit dem im 17. Jahrhundert von Kaspar Jodok von Stockalper errichteten Saumpfad. Der umtriebige „Multiunternehmer“ wurde insbesondere mit dem Salzhandel aus dem Mittelmeerraum nach Norden unsagbar reich. Seine Spuren sind vom Wallis bis zum Lac d’Annecy in Frankreich bis heute erkennbar. Knapp zweihundert Jahre später errichtete Napoleon I. die erste befestigte Straße für seine Artillerie.

Der steinerne Adler ist ein Wahrzeichen auf dem Simponpass
Der steinerne Adler ist ein Wahrzeichen auf dem Simponpass © Alan Smithers/stock.adobe.com (ALAN SMITHERS)

Der 2006 Meter hohe Pass selbst überrascht nicht nur landschaftlich. Vor dem Hintergrund der vergletscherten Gipfel von Fletschhorn und Weissmies, inmitten der saftigen Almen mit ihren Hochmooren und kleinen Seen, stehen gewaltige architektonische Zeugen einer großen Geschichte. Vom 1801 begonnenen und von den Augustiner-Chorherren vom Großen St. Bernhard 1831 fertiggestellten Simplon-Hospiz über die alte Kirche bis hin zum acht Meter hohen, im Zweiten Weltkrieg errichteten Steinadler auf der Passhöhe.

Das 1666 erbaute Hospiz
Das 1666 erbaute Hospiz © pacoparra/stock.adobe.com

Die Wanderungen und Ausflüge (wie beispielsweise der Pass-Rundweg) beginnen mit einer Dauer von rund zweieinhalb Stunden und sind eine Mischung aus Natur- und Architekturgeschichte. Dabei kommt man auch am „Alten Spittel“ vorbei, einem ebenfalls von Kaspar Jodok von Stockalper 1666 errichteten Hospiz. Das lang gestreckte Ensemble mit der Kirche wird heute als Sommerinstitut verwendet. Die entlang der Wanderung liegenden Hochmoore sind nicht nur schön anzusehen. Sie sind Archive der Klima- und Vegetationsgeschichte der Alpen.

Ziel im Süden ist Gondo,  wo der Stockalperturm steht
Ziel im Süden ist Gondo, wo der Stockalperturm steht © pacoparra/stock.adobe.com

Knapp drei Stunden – ohne einen langen Aufenthalt in Simplon-Dorf – dauert die Wanderung vom Pass hinunter nach Gabi. Auf dem alten, wunderschön revitalisierten „Mulattiere“ (Saumweg) hat man mehr als dreihundert Jahre Geschichte unter seinen Füßen. Der Verlauf zwischen den Lärchenwäldern ist Teil des „Ecomuseums“, mit dem Zentrum in Simplon-Dorf.

Hier wurde der „Alte Gasthof“ aus dem 17. Jahrhundert stilecht renoviert und in eine Chronik des Tals verwandelt. Die eigentliche Idee des Museums stammt vom Franzosen Georges Henri Rivière und beinhaltet das Einbeziehen der gesamten Landschaft, seiner Kultur und seiner Natur. Somit passiert es, dass Wanderer immer wieder an historischen Gebäuden oder Brücken vorbeikommen, die Teil des Ecomuseums in Simplon-Dorf und auf Tafeln entsprechend beschrieben sind.

„Die Sagenwelt rund um den Simplon ist besonders vom Goldabbau in Zwischbergen und Wassergeistern geprägt“, schreibt der Walliser Autor und Herausgeber Klaus Anderegg. In der Landschaft des Simplons nimmt deshalb das von Gondo aus erreichbare Zwischbergen-Tal eine besondere Stellung ein. Hier wurde – die ersten Urkunden dazu stammen aus dem 17. Jahrhundert – Gold abgebaut.

Und auch hier taucht als einer der Abbauberechtigten der Briger Stockalper auf. Am Höhepunkt des Goldrausches, Ende des 19. Jahrhunderts, waren rund 500 Arbeiter mit dem Abbau beschäftigt. Der Generaldirektor der Mine formulierte es 1893 so: „Gondo nimmt den ersten Platz ein unter allen Goldminen Europas!“ Vier Jahre später stand die Gesellschaft vor dem Konkurs. So schnell kann es gehen, selbst in der Schweiz.

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