Emilio winkt den zwei Frauen. Die Luft ist rein. Wem auch immer der Schlafsack gehört, der hier hängt: Der Gast ist ausgeflogen. Zimmer frei. Nun gehört das leer stehende Obelisco-Luxushotel Emilio und seinen Kolleginnen ganz allein. Im Unterschied zu den Gestalten, die sich vor ihnen im Gebäude herumgetrieben haben, wollen sie weder Möbel zertrümmern, Wände besprühen oder Müll abladen noch irgendwelchen dunklen Geschäften nachgehen. Die drei Triestiner sind unterwegs, um mit ihren Kameras den Verfall eines weiteren toten Winkels ihrer Heimatstadt zu dokumentieren.
Seit zwei Jahren haben die Fotografin Giada Genzo, die Journalistin Micol Brusaferro und der Sportreporter Emilio Ripari ein gemeinsames Hobby. Sie sind dem Charme des Verfalls erlegen und besuchen Orte in Triest und Umgebung, um die sich außer ihnen niemand mehr schert. Berichte darüber veröffentlichen die jungen Italiener auf ihrer Internetseite „Trieste abbandonata“ (deutsch: verlassenes Triest). Rund 100 Gstättn, wie man auf Österreichisch sagen würde, haben sie schon unter die Lupe genommen und damit nicht nur in einigen Ruinen Staub aufgewirbelt.
Das Echo ist groß. „Die Politiker haben natürlich keine Freude mit dem, was wir machen“, sagt Emilio. „Jetzt müssen sie sich lästige Fragen über gewisse Ecken in der Stadt stellen. Unsere Fotos werden im Internet von vielen weiterverbreitet, oft greifen deshalb auch klassische Medien unsere Berichte auf.“ Gestartet haben die Triestiner ihre Internetseite in der Hoffnung, damit wenigstens einige der verlassenen Orte in der von der Wirtschaftskrise besonders gebeutelten Hafenstadt wieder zum Leben zu erwecken. „Die Diskussionen, die wir anstoßen, können ein erster Schritt in diese Richtung sein“, hoffen die Ruinen-Reporter.
Ihre fotografischen Denkanstöße zeigen sie neuerdings auch offline: Bis einschließlich 5. Februar werden die eindrucksvollsten Fotos des Trios im Montedoro-Einkaufszentrum in Muggia ausgestellt - vom Hotel Obelisco bis zur stillgelegten Müllsortieranlage, von verlassenen Kasernen bis zur ausgebrannten Disco. Entstanden sind die Werke total legal, wie Emilio beteuert: „Wir betreten nur Gelände und Gebäude, die offenstehen. Es hat daher noch nie Probleme mit der Polizei gegeben.“