Unser Guide Pavel ist schlecht gelaunt. Gerade einmal zwei Stunden Zeit soll er haben, uns die Schönheiten Karlsbads zu zeigen. Zwei Stunden! Wie soll er das schaffen? Allein über die Geschichte von Karlovy Vary gäbe es so viel zu erzählen, dass es Pavel fast zur Verzweiflung bringt. Die Geschichte der Stadt ist vor allem jene des Kurorts, der seit 2021 zum Unesco-Weltkulturerbe der „Great Spas of Europe“ zählt.

Schon im frühen 18. Jahrhundert kurierte sich der russische Zar Peter der Große mit dem berühmten Karlsbader Wasser, einige Jahrzehnte darauf publizierte der Arzt David Becher über dessen positiven Auswirkungen. Im 19. Jahrhundert, als die Stadt auch über Prag an das Eisenbahnnetz angeschlossen wurde, begann der Kurtourismus mit 71.000 Gästen pro Saison richtig zu boomen.

Lustwandeln in den prächtigen Kolonaden von Karlsbad
Lustwandeln in den prächtigen Kolonaden von Karlsbad © andrzej2012/stock.adobe.com

Schlendern und schlürfen

Zur gleichen Zeit entstanden auch die prächtigsten Jugendstilbauten: In den wunderschönen Kurkolonnaden nippten die Gäste das Wasser im Gehen – da dieses bis zu 60 Grad heiß sein kann, aus Keramik-Schnabeltassen, die das Wasser am Weg zu den Lippen stark abkühlen.

Wer entlang des Flusses Teplá flaniert, kommt nicht nur an den Kolonnaden vorbei, sondern auch an den Grand Hotels. Das berühmteste davon ist das legendäre Pupp, das auch Wes Anderson Inspiration für seinen Film „Grand Hotel Budapest“ gewesen sein soll.

Wer einen guten Überblick über Karlsbad bekommen will, sollte auch ein Date mit Diana in Betracht ziehen: So heißt der Aussichtsberg, auf den eine beliebte Standseilbahn führt.

Mit Schnabeltassen wären wir ausgerüstet, gekostet haben wir das gerühmte Heilwasser aber nicht, dazu konnte uns Pavel nun wirklich keine Zeit gönnen. Odpuštìní – tut ihm leid!

Das berühmte Heilwasser wird aus der Schnabeltasse geschlürft
Das berühmte Heilwasser wird aus der Schnabeltasse geschlürft © molenira/stock.adobe.com (Tatyana Aksenova)

Kultur und Königshäuser

Das zweitbekannteste der berühmten Kurbäder ist Marienbad (Mariánské Lázne). Es ist kleiner, aber steht Karlsbad im historischen Glamourfaktor um nichts nach. Die „Gästeliste“ liest sich wie ein Who is Who des 19. Jahrhunderts: Bruckner, Chopin, Dvorák, Freud, Goethe, Gorki, Ibsen, Kafka, Mahler, Wagner ...

Und neben Kaiser Franz Joseph war König Edward VII. von Großbritannien mehrfach zu Gast, im Nové Lázne (Neues Bad) kann man sogar in seiner prächtig ausgestatteten „Königskabine“ baden.

Stolz ist man nicht nur auf die wunderschönen Kolonnaden und prächtigen Hotels, sondern auch auf die fast einen Kilometer langen Verbindungsgänge dazwischen: So können die Gäste im Bademantel von Hotel zu Hotel gelangen.

Das wunderschöne Römerbad im Hotel Nové Lázne in Marienbad
Das wunderschöne Römerbad im Hotel Nové Lázne in Marienbad © janprerovsky.com (Jan Prerovsky)

Erholung vor kleiner Kulisse

Der kleinste Ort des Bäderdreiecks im Nordwesten von Tschechien ist Franzensbad (Františkovy Lázne) – weniger glamourös, dafür viel entspannter. „Nach Karlsbad kommt man zum Flanieren, nach Marienbad zum Kuren, aber zu uns kommt man zur Erholung“, erzählt uns Karolina, die uns durch den Ort führt – das tatsächlich in einem viel entspannteren Tempo als Pavel in Karlsbad.

Der ganze Ort hat sich frisch in Schönbrunngelb herausgeputzt und ist mit Blumen geschmückt. Und auch er verfügt natürlich über eine lange Geschichte. Immer wieder begegnen uns beim Spazieren Erinnerungen an Goethe – einer der berühmtesten Gäste, die auf Franzensbad schworen.

Die Bronzestatue des František in Franzensbad
Die Bronzestatue des František in Franzensbad © Jiri Vanicek/stock.adobe.com

Das aber wohl, aber nicht wegen einem der Effekte, die dem Heilwasser zugeschrieben wird – für Frauen, die Probleme damit haben, schwanger zu werden. Zusätzlich soll dabei der Aberglaube helfen, die kleine Bronzestatue des František an seinem besten Stück zu berühren. Die Wirkung tritt dann angeblich binnen eines Jahres ein – dass wenigstens ein Versuch nicht schaden kann, beweist die glänzende Stelle unter der Gürtellinie des Buben.

Ach ja, das Wasser haben wir dann auch endlich gekostet: Es schmeckt wirklich grauenerregend. Umso größer muss dann wohl die Wirkung sein.