Sie sind nicht zu übersehen, die golden schimmernden Metallsymbole, die zuhauf in das Pflaster der Leipziger Innenstadt-Straßen eingelassen sind. Sie markieren den Verlauf der „Leipziger Notenspur“, die heuer ihr zehnjähriges Bestehen feiert. City-Guide Birgit Scheffl, die sich als begeisterte Leipzigerin outet, erklärt: „Unsere Stadt blickt auf eine umfangreiche Musiktradition zurück. Hier lebten und arbeiteten große Komponisten wie Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy und Richard Wagner.“ Sie alle hätten ihre Spuren hinterlassen. Deshalb lägen authentische Wohn- und Schaffensorte in unmittelbarer Nachbarschaft: „So können auf einer Strecke von 5,3 Kilometern 800 Jahre Musikgeschichte erlebt und erlaufen werden.“

In zunehmendem Maß übt die Notenspur ihre Anziehungskraft nicht nur auf Touristen und Gäste, sondern auch auf die Stadtbewohner aus, berichtet Scheffl. Besonders groß war der Andrang im Jahr 2020, in dem der Initiator der Notenspur, Werner Schneider, mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet wurde.

Auf Elster und Karl-Heine-Kanal kann man Leipzig vom Wasser aus erkunden
Auf Elster und Karl-Heine-Kanal kann man Leipzig vom Wasser aus erkunden © stylefoto24/stock.adobe.com (Frank Günther)

Der Notenspur folgen

Ausgangspunkt der Notenspur ist der Augustusplatz. Ein Stahlelement im Boden kennzeichnet die Station Nummer eins, das neue Gewandhaus, das 1981 eröffnet wurde und die Heimstatt des 1743 gegründeten Gewandhausorchesters ist. Das weltberühmte Konzerthaus führt seinen Namen auf Textilfabrikanten zurück, die im 18. Jahrhundert zu den wohlhabendsten Stadtbewohnern zählten und den Bau des Gebäudes finanzierten.

Nicht weit davon entfernt steht das Mendelssohn-Haus in der Goldschmidtstraße 12, die letzte baulich erhalten gebliebene Privatadresse des namhaften Musikers. Dort empfängt Alicia Janssen die Besucher. Sie berichtet, dass im Musiksalon des Museums jeden Sonntag Konzerte geboten werden, die in Mendelssohn’scher Tradition Musik aller Epochen erklingen lassen.

Damit kommt der Verein, der das Gebäude erhält und betreibt, seiner Zielsetzung nach, Mendelssohns musikalisches und gedankliches Erbe zu retten und wieder bekannter zu machen. Den Grund dafür kennt Alicia Janssen: „Bartholdy war der bedeutendste Komponist der ersten Hälfte im 19. Jahrhundert. Sein reiches Werk ist beinahe in Vergessenheit geraten aufgrund der Verachtung des Musikers jüdischer Herkunft, die unter den Nationalsozialisten ihren Höhepunkt erreichte.“

Die Baumwollspinnerei schafft Raum für Künstler
Die Baumwollspinnerei schafft Raum für Künstler © Imago images/Martin B�uml Fotodesign (Martin Bäuml via www.imago-images.de)

Neue Fäden spinnen

Der moderne Beweis dafür, dass sich Leipzig in den letzten Jahrzehnten von der Industriestadt zur Kulturmetropole verwandelt hat, liegt allerdings etwas außerhalb der Stadt, zehn Straßenbahn-Stationen vom Zentrum entfernt. Der englische „Guardian“ hat die „Baumwollspinnerei“ schon 2007 „the hottest place on earth“ genannt.

Anfang des 20. Jahrhunderts galt die „Baumwollspinnerei“ im Südwesten Leipzigs als größte Fabriksstadt Europas und beschäftige rund 4000 Menschen. Als die Textilindustrie in zunehmendem Maß Richtung Osten wanderte, entstanden in vielen Städten kostspielige Lofts für wohlhabende Bewohner. In Leipzig jedoch blieben die Gebäude erhalten und wurden zur Wirkungsstätte internationaler Künstler.

Heute arbeiten Maler und Fotografen, Bildhauer, Medien- und Konzeptkünstler in den Ateliers, für die es wegen der attraktiven Bedingungen eine lange Warteliste gibt. Eine von ihnen ist Sarah Busskamp (34), die vor sieben Jahren aus den Vereinigten Staaten von Amerika nach Sachsen kam und auf der Suche nach einem passenden Atelier auf die „Spinnerei“ gestoßen ist. Jetzt entstehen auf einer Fläche von 180 Quadratmetern abstrakte Bilder und Sarah ist sehr zufrieden: „Ein so großes Atelier hätte ich mir anderswo nicht leisten können.“ Das ist in dem riesigen Backsteinbau heute der Stoff, aus dem die Träume sind.