Dass Finnland laut „World Happiness Report 2021“ bereits zum vierten Mal hintereinander zum glücklichsten Land der Erde gewählt wurde, hat vielleicht auch damit zu tun, dass die Finnen ganz gut über sich selbst witzeln können und sich nicht so tierisch ernst nehmen. Das wird mir klar, als ich einer Einladung zu einer Reise nach Finnisch-Lappland folge.
Wer jetzt sofort an einsame, verschneite Landschaften denkt, die man mit Hundeschlitten durchquert, liegt falsch, handelt es sich doch um einen sommerlichen Trip. Auf der Liste der Dinge, die man dafür unbedingt in den Koffer packen sollte, stehen neben Wind- und Wetterjacken auch „extrawarme Unterwäsche“ und „Handschuhe“. „Die Temperaturen schwanken zwischen 0 und 30 Grad und wenn es stürmt und regnet, wird es erst richtig kalt“, schreibt Hetta Huittinen, die uns auf dieser Reise begleiten wird.
Eine augenzwinkernde Übertreibung zweifellos, die aber sehr schön eine der typisch finnischen Tugenden aufzeigt: diese stille, unaufdringliche Form der Selbstironie und des Humors, der wir auf unserer Reise noch öfter begegnen werden. Finnisch-Lappland ist der nördlichste Teil von Finnland und die Sommerzeit bedeutet hier vor allem Ruhe, denn die meisten Touristen kommen in den Wintermonaten, nicht zuletzt, um die grandiosen Polarlichter bestaunen zu können.
Allerdings, sagt Huittinen, habe der Sommertourismus in den letzten Jahren etwas zugenommen. „Der Grund dafür ist die Klimaveränderung. Es kommen immer mehr Menschen zu uns, die der Hitze in den südlichen Ländern ausweichen wollen.“
Nach der Landung am Flughafen Kittilä führt uns die erste Station unserer Reise nach Levi, dem größten und bekanntesten Wintersportzentrum in Finnland, mit insgesamt 27 Liftanlagen und rund 18.000 Gästebetten. Jetzt wirkt der Ort allerdings ziemlich ruhig und beschaulich. Stört keinen, denn dass sich nicht Tausende Touristen durch den Ort schieben, ist ja eher eine Wohltat. Mait Kivisaari, unser Tourguide für diesen Tag, nimmt uns mit auf eine Wanderung auf den gleichnamigen „Berg“, den Levi Fjäll (531 Meter).
Von hier bietet sich eine fantastische Aussicht auf Finnlands Naturlandschaft mit den unzähligen Seen – rund 188.000 davon gibt es –, die überall in der Ferne glitzern. Nicht nur wir, sondern auch Kivisaari genießt diesen Ausblick sichtlich. „Wenn man über die lappische Natur redet, dann ist von echter Natur die Rede. Von einer, wo man das Wasser aus den Flüssen trinken kann“, sagt er, und ich denke mir, dass dieser respektvolle Zugang zur Natur beim finnischen Glück bestimmt keine unwesentliche Rolle spielt.
Dass diese Natur auch ziemlich wild sein kann, sollten wir später beim Rafting am Fluss Kitkajoki im Oulanka-Nationalpark in der Region Ruka-Kuusamo noch am eigenen Leib erfahren. „Wir müssen einige Stromschnellen bewältigen“, sagt Kai Alaste gelassen, während wir unsere Schwimmwesten anziehen und zu ihm ins wacklige Schlauchboot steigen. Als wir lospaddeln, gibt es noch eine Portion finnischen Humors. „Die Tour endet vor dem ersten Wasserfall. Da ist ein Seil über den Fluss gespannt. Sollte jemand aus dem Boot fallen, muss er dieses Seil erwischen, sonst wird es übel.“
Das Seil wurde zum Glück nicht benötigt, aber heil durch die Aallokokoski-Stromschnellen zu kommen, hat uns dennoch einiges abverlangt. Das anschließende Glücksgefühl ist sicher auch dem ziemlich in die Höhe geschossenen Adrenalinspiegel zu verdanken und es ist eine gute Einstimmung auf das anschließende „Silent Walking“ mit Yogalehrerin Piritta Liikka. Die Wanderung führt uns auf den Ruka Fjäll und belohnt uns wieder mit einer wunderschönen Fernsicht.
Liikka macht uns auch auf die feinen Flechten aufmerksam, die an den Bäumen hängen. „Sie wachsen nur dort, wo die Luft besonders rein ist. Sonst würden sie sofort absterben.“ Was besonders für die Rentiere dramatisch wäre, sind die Flechten doch eine wichtige Nahrungsquelle in den Wintermonaten. Rund 200.000 Rentiere gibt es in Finnisch-Lappland und man begegnet ihnen immer und überall. Unser Busfahrer fährt daher nie schneller als 80 km/h, denn es könnte ja eins auf der Straße stehen.
Apropos unterwegs sein. Hier spürt man besonders, wie dünn besiedelt dieses Land ist, nur zwei Personen kommen auf einen Quadratkilometer.
Natürlich darf bei einer Finnlandreise der Besuch einer Sauna nicht fehlen. „Würde man das Recht der Finnen auf Sauna einschränken, es gäbe eine Revolte“, sagt Huittinen, bevor wir uns mit einem Sprung in den 15 Grad „warmen“ See abkühlen.
Noch schöner ist es dann, vor der Hütte sitzend in diese unglaubliche Stille, die einen umgibt, einzutauchen. Vielleicht braucht es wirklich nicht viel zum Glück. „Wir leben hier sehr einfach“, sagt Liikka und strahlt dabei über das ganze Gesicht.
Harald Schwinger