Seinerzeit wurde in der Region geschmuggelt, was das Zeug hielt – und was mit Rucksäcken zu tragen war. Heute erzählt man sich noch die abenteuerlichsten Geschichten, wie Tiroler Schmuggler in den Nachkriegsjahren Butter, Käse und Felle über die Berge ins benachbarte Samnaun schleppten und sich mit Kaffee, Reis, Mehl, Tabak, Gewürzen und Nylonstrümpfen zurück ins Paznauntal plagten. Oft blieben die lebensgefährlichen Schmuggeltouren über das 2729 Meter hohe Viderjoch erfolglos, die Zöllner schnappten zu.

Mehrere Tage mühten sich damals die Schmuggler über die schwer zugänglichen Grenzberge, mittlerweile ist die Strecke bequem und risikolos zu bewältigen. Von der Samnauner Bergstation bis hinunter nach Ischgl benötigen halbwegs gute Skifahrer etwas mehr als eine halbe Stunde. Mit dem Auto braucht man immerhin eineinhalb Stunden, um die Täler zu umkurven.

Im Samnaun erinnert noch vieles ans ehemalige Schmugglerparadies. Über 50 Duty-free-Shops locken mit verbilligten Nobelmarken in die höchste Zollfreizone Europas, die urige „Schmuggler-Alm“, wo originelles Schmugglerbier aus dem Zapfhahn läuft und zum Après-Ski lädt. Und wer auf den Pisten die markierten „Checkpoints“ in der richtigen Reihenfolge abfährt, erhält als Wochensieger einen Schmugglerrucksack.

Das ordnungsgemäße Absolvieren wird mit GPS überwacht. „Schmuggler schwindeln eben“, grinst Bernhard Aeschbacher, der Leiter der Tourismusregion „Engadin Scuol Samnaun“.

Im Vergleich zum „großen Bruder“ Ischgl, mit dem das beschauliche Graubündner Bergdorf (1846 Meter Seehöhe) über den Berggrat und über die Staatsgrenze hinweg die größte Skiarena der Ostalpen (238 km Piste, 45 topmoderne Lifte und Seilbahnen) betreibt, verzichtet Samnaun aufs Party-Remmidemmi. „Wir setzen unsere Akzente mehr auf Gemütlichkeit, Kulinarik und Erlebnis-Shopping“, betont Aeschbacher. „Und natürlich auf grenzenlosen Sport“, ergänzt Martin Hangl, der „Franz Klammer“ des Samnaun-Tals.

Der 54-jährige Schweizer, Super-G-Weltmeister von 1989 in Vail, betreibt in seinem Heimatort nicht nur ein Firmenimperium mit Skischule, Hotel, Bar, Tankstelle und Zollfrei-Geschäften, sondern engagiert sich intensiv für den lokalen Fremdenverkehr. „Hangl ist so etwas wie ein Vorreiter hier bei uns“, bestätigt Aeschbacher.

Seit Jahren heimst die grenzüberschreitende Skiarena internationale Auszeichnungen nicht nur für Pisten, Lifte und die weltweit erste in Betrieb gestellte doppelstöckige Seilbahn (Kapazität: 180 Personen) ein. Auch die Gastronomie der „Fünf-Sterne-Region“ (von 1377 bis 2872 Meter Seehöhe) wird regelmäßig prämiert. Die 13 Köche der sieben Restaurants des „Chasa Montana“ dürfen sich über einen Michelin-Stern freuen.
Der Keller ist in der schweizweiten Hotellerie führend. 20.000 Bouteillen lagern in den Katakomben des feinen, 55 Zimmer zählenden Superior-Hauses (88 Mitarbeiter sind dort am Werk) mitten am Dorfplatz, 1000 Marken stehen auf der Weinkarte des Spa-Ressorts.

Preislich hat sich Samnaun seinem Ischgler Partner längst angepasst. „Wir halten nun das Tiroler Niveau“, vergleicht Tourismuschef Aeschbacher. Alkohol, Tabak und Luxusartikel sind ob der Abgabenfreiheit deutlich billiger, der Spritpreis ist ohnehin eine Wucht: Diesel kostet 87 Cent, Benzin 93.

Trotzdem ist der rot-weiß-rote Urlauber noch ein echter Exot. Nur 1,1 Prozent aller Samnaun-Touristen kommen aus Österreich (2257 Übernachtungen), das Gros der Gäste stammt aus der Schweiz (53 Prozent), Deutschland (32 Prozent) und Tschechien.