Rund um das Ortschild herrscht erhöhtes Selfie-Stick-Aufkommen. Jeder, den das Ende des „Kong Olafvs veg“ dort in die Wildnis entlässt, will das mit dem Smartphone dokumentieren. An manchen Tagen im Sommer sind das gut und gerne zehn Mal so viele Selfies wie Einwohner, die der südlichste Ort der Lofoten zählt. Dabei steht auf dem Schild nur ein Buchstabe: und zwar Å.

Das bedeutet so viel wie Bach und vom Wasser lebt das Dorf von jeher. Und wenn der Wind aus der richtigen Richtung kommt, dann kann man sie riechen, die Stockfische (Tørrfisk), die auf Gestellen in der salzigen Luft trocknen. Å ist so etwas wie ein Freilichtmuseum für die Küstenkultur der norwegischen Inselgruppe. Fünf Handvoll kleiner Fischerhütten, die Rorbuer, stehen wie vor 150 Jahren direkt am Hafen und erzählen von damals. Dazu noch eine Bäckerei, eine Schmiede, eine Trankocherei und ein paar Bootshäuser. Ein Fischerei- und ein Stockfischmuseum. Kurz und bündig - wie der Name Å.

Aber dafür ist die Natur rundherum von epischem Ausmaß. Wasserratten gehen fischen, Landratten wandern durch die angrenzenden Wälder. Und wer am örtlichen Campingplatz sein Lager aufschlägt, dem kann es passieren, dass er direkt vor der provisorischen Haustüre den geruhsam einherschwimmenden Walen im Moskenstraumen „Gute Nacht“ sagen kann. Es liegt sicherlich am Namen, dass das winzige Dorf am Ende der Welt so überdimensional gut besucht ist. Und weil man ein Wort, das aus nur einem Buchstaben besteht, kaum googeln kann, hat das verschlafene Nest inoffiziell auf „Å i Lofoten“ aufgestockt. Auch für ein Freilichtmuseum bleibt die Welt nicht stehen.

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Aber der Name Å ist kein Unikum. Orte, die so heißen, gibt es in Norwegen, Schweden und Dänemark, wobei letzteres Land sich auch noch eines Fleckchens Erde rühmen kann, das sich schlicht und ergreifend Ø nennt - Insel. Da können sonst in Europa nur die Franzosen mithalten: Im Département Somme im Norden liegt nämlich die 94-Seelen-Gemeinde Y, deren Einwohner von sich selbst als „Ypsiloniens“ sprechen.

Weil man zusammenhalten muss, wenn man einen komischen Namen hat, ist Y eine Städtepartnerschaft mit dem friesischen Dorf Ee eingegangen. Und mit der walisischen Gemeinde Llanfairpwllgwyngyllgogerych-wyrndrobwllllantysiliogogogoch, was so viel bedeutet wie „Marienkirche in einer Mulde weißer Haseln in der Nähe eines schnellen Wirbels und der Thysiliokirche bei der roten Höhle“ und mit 58 Buchstaben offiziell der längste Ortsname Europas ist. Er soll auf einen ansässigen Schuhmacher zurückgehen, der das kleine Nest damit auf die Landkarte der touristischen Sehenswürdigkeiten setzen wollte - was ihm nachhaltig gelungen ist. Denn jeder, der auf der walisischen Insel Anglesey Urlaub macht, kommt, um das Ortschild zu fotografieren. Dafür braucht man ein ordentliches Weitwinkelobjektiv.

Ein Panoramabild ist dann schon auf einem kleinen Hügel in Neuseeland angesagt: Taumatawhakatangihangakoauauotamateaturipukakapikimaungahoronukupokaiwhenuakitanatahu tauften ihn die Maori: „Der Ort, an dem Tamatea, der Mann mit den großen Knien, der Berge hinabrutschte, emporkletterte und verschluckte, bekannt als der Landfresser, seine Flöte für seine Geliebte spielte“. 85 Buchstaben sind ganz schön viele für einen 305 Meter hohen Hügel. Verpackt in einen rhythmischen Sprechgesang schaffte es das Wort 1979 sogar in die Top Ten der britischen Charts.

Aber der Rekord für den längsten Ortsnamen der Welt geht an Bangkok. Die alte Thai-Bezeichnung der Stadt setzt sich aus sage und schreibe 168 Buchstaben zusammen. Aber dafür ist an dieser Stelle kein Platz mehr.