Original ist Original, doch die Replik kann einen Eindruck vermitteln, den man in Stonehenge heute nicht mehr bekommt: direkt neben einem der gewaltigen, über sieben Meter hohen Steine des berühmten Bauwerks seine Monumentalität erfahren und originales Steinmaterial berühren dürfen. Die neue, ab Sonntag geöffnete Ausstellung im Mamuz Museum Mistelbach bietet Stonehenge zum Angreifen.

Stonehenge - das verbindet man vor allem mit dem Bild des kolossalen Steinkreises mit den auffälligen Trilithen, zwei aufrechten Tragsteinen und daraufliegendem Deckstein. Auch das Mamuz wirbt mit diesem Sujet und sogar mit Trilith-Nachbildungen in den Kreisverkehren rund um Mistelbach.

Bei den Aufbauarbeiten zur Ausstellung
Bei den Aufbauarbeiten zur Ausstellung © (c) APA/MAMUZ (UNBEKANNT)

Doch Stonehenge ist viel mehr, die Anlage steht in einer Landschaft mit Hunderten urgeschichtlichen Monumenten - das Gros davon im Boden verborgen. Der österreichische Archäologe Wolfgang Neubauer und sein Team vom Ludwig Boltzmann-Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie erforschen mit Kollegen der Universität Birmingham im Rahmen des "Hidden Landscape Project" seit 2010 die Gegend rund um Stonehenge mit Magnetometern und Bodenradar.

Dieses Video könnte Sie auch interessieren

"Verborgene Landschaft"

Damit haben die Forscher viele neue Monumente aufgespürt. Diese "Verborgene Landschaft", so der Untertitel der "Stonehenge"-Ausstellung im Mamuz, wird in der bis 27. November geöffneten Schau präsentiert. "Denn Stonehenge kann man nur verstehen, wenn man die Steine in ihrem Zusammenhang mit der Landschaft sieht", sagte Neubauer, der gemeinsam mit dem britischen Archäologen Julian Richards die Ausstellung kuratiert hat, gegenüber der APA.

Die Geschichte des Menschen in dieser Landschaft beginnt lange bevor der Steinkreis errichtet wurde. Erste Spuren von Jägern datieren auf 10.000 v. Chr., sie profitierten von den Tieren, die von warmen Quellen gespeiste Tümpel in der Nähe Stonehenges als Tränke nutzten. In der Schau wird etwa ein dort gefundener Auerochsen-Knochen gezeigt, in dem noch eine Pfeilspitze steckt.

Aus den Quelltümpeln stammt auch eines der faszinierendsten Ausstellungsobjekte, ein "Pinkstone". In den Tümpeln lebt eine Alge, die dort vorkommende Feuerstein-Knollen besiedelt. An der Luft verfärben sich die Steine in ein leuchtendes Pink - ein Phänomen, das damals wohl ganz großer Zauber war.

Große Erfolge heimischer Archäologen

Auf dem von einer palisadenartigen Ausstellungsarchitektur dominierten Weg durch die Geschichte folgen in der Schau die ersten Viehzüchter und Bauern, die zwischen 3.800 und 3.500 v. Chr. erste Monumente für ihre Toten errichteten. Die Messungen der österreichischen Archäologen erlaubten erstmals eine "sinnvolle Rekonstruktion" (Neubauer) dieser Long Barrows. Zur selben Zeit wurden die ersten monumentalen Erdwerke gegraben, konzentrische unterbrochene Wall-Grabensysteme.

Um 3.500 v.Chr. wurde dann mit dem "Großen Cursus" das größte Monument in der Gegend errichtet, eine drei Kilometer lange, 100 bis 150 Meter breite Wall-Grabenanlage. Auch das erst im Vorjahr von den Archäologen entdeckte riesige Steinmonument unter dem Wall der steinzeitlichen Anlage von Durrington Walls ist deutlich älter als Stonehenge.

Dessen erste Spuren stammen aus der Zeit um ca. 3.000 v.Chr., als dort ein Graben errichtet und Brandbestattungen vorgenommen wurden. 400 bis 500 Jahre später wurden dann die ersten Steine in Stonehenge aufgerichtet. Diese wohl bedeutendste Leistung prähistorischer Baumeister steht in Form einer originalgetreuen Nachbildung eines Trilithen im Zentrum der Ausstellung.

Monumental

Die Dimension der Mamuz-Halle habe "die faszinierende Möglichkeit geboten, nahe genug an die Steine heranzukommen, um ihre Dimension und Monumentalität zu begreifen", sagte Neubauer. Im ersten Stock der Ausstellungshalle, auf Höhe des Decksteins, bekommt man dann eine virtuelle Rundsicht in die Landschaft um Stonehenge.

Bei den Steinnachbildungen hat man sich um eine originalgetreue Oberfläche bemüht. Ergänzen kann man den haptischen Eindruck bei der Berührung von originalem Steinmaterial aus den 30 bis 200 Kilometer von Stonehenge entfernten Abbaugebieten der 75 bis zu 40 Tonnen schweren "Sarsen" und rund 80 drei Tonnen schweren "Bluestones", die in Stonehenge kreis- und hufeisenförmig angeordnet und mit komplexen Verbindungen zusammengefügt wurden.

Präsentiert werden auch zahlreiche Kleinfunde aus der Gegend rund um Stonehenge. Dazu zählen die frühesten Keramikfunde in Großbritannien ebenso wie Repliken aus dem Grabhügel von Bush Barrow unweit von Stonehenge, der laut Neubauer "reichsten Bestattung Großbritanniens". Zu sehen ist auch der größte in Großbritannien entdeckte Kupferdolch. Seine Materialanalyse zeigte, "dass das Kupfer aus den österreichischen Alpen stammt - der Dolch ist damit wieder zu Hause", so Neubauer.

Heimische Funde können mithalten

Der Abschluss der Schau erlaubt Vergleiche mit Funden aus Österreich. Dabei müssen die heimischen Monumentalbauten aus der Urgeschichte keinen Vergleich scheuen, wie die an den Wänden der Ausstellungshalle verdeutlichten Dimensionen der Kreisgrabenanlage von Hornsburg im Weinviertel zeigt. Ihr Durchmesser von 110 Metern ist so groß wie jener des äußeren Grabens von Stonehenge, ihr Graben war sechs Meter tief und ihre inneren Holzpalisaden waren mindestens so hoch wie die Steine von Stonehenge. Nur beim Alter übertreffen diese in ganz Europa verbreiteten Kreisgrabenanlagen Stonehenge um 1.800 Jahre, sie stammen aus der Zeit von 4.800 bis 4.500 v.Chr.