Im Hafen von Hoorn dümpelt der Dreimaster "De Halve Maen". Am Bug des schmalen hohen Rumpfes aus dunklem Holz - Nachbau eines Schiffes aus dem 17. Jahrhundert - hängt ein gelber Halbmond, an den Masten flattern Wimpel. 1615 verließ genau so ein Schiff, "De Eendracht", den Hafen der Kaufmannsstadt im Westen von Amsterdam mit Kurs auf ... Tja, das genau wusste damals niemand.

Kampf gegen die Elemente

"De Eendracht" (Eintracht) sollte eine neue westliche Passage in den Pazifik finden. Und das tat sie. Vor 400 Jahren, am 29. Jänner 1616, umrundeten Willem Cornelisz Schouten und Jacob Le Maire die Südspitze Südamerikas und nannten diese nach ihrem Heimathafen: Kap Hoorn. Die kleine Felseninsel wurde weltweit zum Symbol für den Kampf gegen die Elemente, für Steuermannskunst und Durchsetzungsvermögen. Kap Hoorn wurde ein Mythos.

Drei Jahre lang sollte die Reise von Schouten und Le Maire dauern. "Eine Reyse rondom de geheele Aerdkloot" schrieb Schouten in sein Logbuch - Eine Reise um den gesamten Erdball. Der Anlass der Fahrt war profan: Rache. "Dahinter stand Isaac Le Maire, ein reicher holländischer Kaufmann", sagt Dirk Jan Barreveld, der ein Buch über den Initiator der Seereise geschrieben hat.

Suche nach Terra Australia

Isaac hatte demnach einen Konflikt mit der übermächtigen Vereinigten Ostindischen Kompanie, kurz VOC. Diese Vereinigung holländischer Kaufleute hatte im 17. Jahrhundert das Monopol auf den Handel mit Asien auf der Route zwischen dem Kap der Guten Hoffnung und der Magellanstraße in den Pazifik. Isaac Le Maire wollte die VOC ins Mark treffen, das Monopol brechen - und suchte darum nach einer eigenen Passage. Außerdem hoffte er, mit seiner dafür gegründeten "Australischen Compagnie" das bisher unbekannte "Südland" zu entdecken, die Terra Australia.

Daraus wurde zwar nichts. Aber die beiden Seefahrer entdeckten eine Durchfahrt am argentinischen Feuerland, die Le Maire-Straße zum Kap Hoorn. "Für Isaac war es ein Pyrrhussieg", sagt der Historiker Barreveld. Sein Sohn Jacob und Schouten wurden später von Männern der VOC festgenommen, ihr Schiff beschlagnahmt. Isaac sollte noch jahrelang gegen die VOC prozessieren. Der Rachefeldzug kostete ihn "1,5 Millionen Gulden", sagt Barreveld.

Dass Schouten und Le Maire überhaupt mit heiler Haut davonkamen, ist ein kleines Wunder. "Das ist eine der gefährlichsten Routen der Welt", sagt Barreveld. "Dort stürmt es fast immer von Westen. Es ist eiskalt, die Segel vereisen, es ist ein Alptraum."

Viele Segler scheiterten

Kap Hoorn ist verbunden mit unzähligen Dramen. Die bisher längste Umrundung dauerte 98 Tage, sechs Tage die schnellste. Viele Großsegler scheiterten. 800 Schiffe sollen gesunken sein, über 10.000 Seeleute ihr Leben verloren haben. An das weltweit größte Seemannsgrab erinnert heute ein Denkmal auf der Felseninsel.

Schon wegen der Witterungsbedingungen wurde das Kap gemieden. Erst nach der Entdeckung von Gold in Kalifornien um 1848 wurde der Weg um Kap Hoorn zur verkehrsreichsten Route der Weltmeere. Weizen aus Australien etwa oder Salpeter aus Chile wurden über diese Route nach Europa transportiert.

Seit Eröffnung des Panamakanals 1914 wählen den gefährlichen Weg nur noch die größten Schiffe, die nicht durch den Kanal passen. Wenn die Erweiterung des Kanals in diesem Jahr abgeschlossen ist, werden es wohl noch weniger Frachter sein, die Kap Hoorn umrunden.

Und dann gibt es da noch das Jahrhundertprojekt einer über 3.500 Kilometer langen Eisenbahnlinie quer durch Südamerika, von Santos in Brasilien bis zum peruanischen Pazifikhafen Ilo. China will das Zehn-Milliarden-Dollar-Projekt finanziell unterstützen. Sollte es Realität werden, verlöre Kap Hoorn wohl endgültig an Bedeutung.