Mit dem Meer ist es wie mit vielen intensiven Beziehungen im Leben – der Start ist meist holprig. Es ist salzig, es brennt und für den Bruchteil einer Sekunde ist man einmal ziemlich enttäuscht. Ist der Bann aber einmal gebrochen, wird es meistens eine Liebe fürs Leben. Manchmal ist sie wie Ebbe und Flut, sie zieht sich zurück und dann ist sie wieder überschäumend. Sie ist so variantenreich wie ein Korallenriff und schmerzhaft wie ein unfreiwilliges Stelldichein mit einem Seeigel. Und manchmal holt sie für dich sogar die Seesterne vom Himmel.
Die letzten Abenteurer
Mit dem Meer und dem Menschen verhält es sich wie mit dem All – es ist eine eigene Welt in der Welt. Ein Universum, in dem wir anfangs neugierige Eindringlinge sind, maximal Besucherstatus erringen, aber nie Teil des Ganzen sein werden. Nicht einmal eine Handvoll Menschen hat sich auf die Reise zum tiefsten Punkt des Meeres begeben. Einer der wenigen ist „Titanic“-Regisseur James Cameron. Er ist 2012 mit einem U-Boot auf rund 11.000 Meter in den Marianengraben getaucht. Der Regisseur verglich die Welt in der Tiefe mit einer Mondlandschaft, die die letzte unerforschte Grenze unseres Planeten darstellt. Wer diesem Lockruf der Sirenen folgt, darf sich zu den letzten Abenteurern unserer Zeit zählen.
Einfach abtauchen
Die Faszination Meer ist beinahe so alt wie das Meer selbst. Das erklärt auch den Einfluss auf viele Bereiche des Lebens. Nicht zuletzt auf die Literatur. Noch heute fasziniert Jules Vernes Utopie „20.000 Meilen unter dem Meer“ Seebären wie Landratten. Der Wunsch, wie Captain Nemo abzutauchen, der Welt den Rücken zu kehren und eine andere zu entdecken. „Das Meer ist nur ein Behälter für alle die ungeheuren, übernatürlichen Dinge, die darin existieren; es ist nicht nur Bewegung und Liebe; es ist die lebende Unendlichkeit“, schrieb schon Jules Verne über diese verborgene Welt.
In einer hoch technisierten Gesellschaft giert der Mensch nach Rätseln und das Meer kann sie liefern. Das Bermudadreieck als Ort des spurlosen Verschwindens von Flugzeugen und Schiffen ist auch heute noch gefundenes Fressen für Fans unerklärlicher Phänomene. Gleich wie die Jagd nach dem Riesenkalmar, der nicht aus Seemannsgarn gesponnen ist, sondern in Hunderten Metern Seetiefe auf eine Größe von bis zu 18 Metern wachsen kann. Und nicht nur bei Seefahrern und Piraten früherer Epochen für Albträume gesorgt hat.
Wobei das Meer nicht nur Ängste freisetzt, sondern auch den Kampfgeist beschwört. Captain Ahab gegen Moby Dick. Oder Hemingways alter Mann gegen einen Marlin. Der archaische Zweikampf endet immer auch im Erkenntnisgewinn. Nicht zuletzt transportiert das Ringen die inneren Dämonen an die Oberfläche. Das Meer hinterlässt nicht nur Spuren in der Landschaft, sondern auch bei den Menschen, die am Meer wohnen: „Seebären“ ist die maritime Symbiose oft in tiefen Furchen ins Gesicht geschrieben.
Das Meer als Sehnsuchtsort
Aber auch jene, die nicht am Meer leben, suchen nicht selten die Nähe zum Wasser. Auch, wenn sich der Traum von der Südseeinsel bloß als Bildschirmschoner, Handy-Hintergrund, Wecker mit Meeresrauschen oder Mini-Aquarium im Wohnzimmer manifestiert. Das Meer als Sehnsuchtsort. Umso irrationaler erscheinen folgende Fakten: Schon jetzt schwimmen im Meer fast 270.000 Tonnen Plastikmüll. Jährlich kommen bis zu zwölf Millionen Tonnen dazu. Die Folgen sind dramatisch: Nicht nur Meeressäuger, Schildkröten, Vögel und Fische sterben, weil sie das Plastik fressen oder sich darin verfangen. Abtauchen funktioniert in diesem Fall aber nicht, denn es dauert zumindest 450 Jahre, bis sich Kunststoff zersetzt.
Anscheinend neigt der Mensch bei dem, was er liebt, dazu, Geben und Nehmen falsch zu interpretieren. Das Meer muss das nun ausbaden. Die Meeresforscher-Legende Jacques Cousteau wusste aber jemanden mit Vorbildwirkung: „Wir sollten uns ein Beispiel an den Delfinen nehmen. Im Laufe der Evolution haben sie zwei für ihre Arterhaltung sehr wichtige Fähigkeiten entwickelt: Klugheit und Einigkeit.“