Die Zeit zwischen 18 und 19 Uhr müsste Stunden dauern. Die Sonne hat sich am Horizont fast verabschiedet. Der Himmel protzt mit den Farben des Regenbogens und das Meer glitzert wie Flitter in Silber und Türkis. Statt auf der exotischen Fototapete genießen wir das Original, den Sonnenuntergang auf der Karibik-Insel Barbuda.

Lifestyle, Clubs, Nachtleben? Gibt's nicht. Der Rum-Punsch schmeckt auch aus dem orangen Plastikbecher, den Hummer kocht Mary Rose, alte Schoner schaukeln in der Lagune, eine Ziege meckert im Gebüsch, es duftet nach Rippchen, die überall an der Straße gegrillt werden. Ted erinnert sich, dass es vor Jahren ein paar Tage gegeben hat, wo das Thermometer auf 18 Grad fiel. Der 60-Jährige zieht die Augenbrauen hoch und schwört bei seiner grünen Wadadli-Bierflasche: "Es war kalt, wirklich furchtbar, furchtbar kalt."

Alle in einem Dorf. Barbuda gehört zu den "Inseln über dem Wind", zu den Kleinen Antillen in der Karibik und liegt 40 Kilometer nördlich von Antigua. Mit der Schwesterninsel und dem unbewohnten Redonda bilden sie einen eigenständigen Inselstaat innerhalb des Commonwealth.

1500 Einwohner. Die 1500 Einwohnern verteilen sich auf 161 Quadratkilometer und wohnen praktisch alle in einem Dorf namens Codrington. Dort verkauft Debbie Joseph in Eric Burtons Supermarkt Erdnüsse, italienische Nudeln, Lamm-, Ziegen- und manchmal Rindfleisch, Wein aus acht verschiedenen Ländern und Cavalier-Rum. In der Apotheke kriegt man neben Medikamenten, Pillen und Vitaminen auch CD-Player, Schuhe, Grußkarten, Uhren und Unterwäsche.

Die Strände auf Barbuda: Liegestuhl 1723 in Reihe 8? Tja, nicht ein einziger weit und breit. Tourismus ist auf der Insel kein Thema - genauso wenig wie Hektik und Stress. "Soon come", so lautet die Lebensphilosophie und wir lassen sie wie die rhythmischen Calypso-Klänge, die der Wind über das Meer trägt, auf uns wirken.

Wie ein Inselkönig. Der längste Sandstrand misst 27 Kilometer und schimmert wie eine rosa Sichel aus Korallen- und Muschelstaub. Blendendes Perlweiß, die Knöchel versinken im weichen, warmen Untergrund. Kein Wunder, dass man sich wie ein Inselkönig fühlt. Der hoffentlich nicht vergisst, Wasserflaschen mitzuschleppen und einen Schattenspender aufzubauen. Denn Bars, Restaurants, Shops und Sonnenschirme sucht man ebenso vergeblich. Während wir in eine feingeschnippelte Papaya beißen und an einem Stück Zuckerrohr lutschen, überkommt uns die gleiche Art von Zufriedenheit, die Barbudianer wie Ted ausstrahlen und wir müssen schamlos grinsen.