Es war die pro-kurdische PKK, die sich dafür gerächt hat, dass das türkische Militär schon seit Beginn des letzten Winters ihre Stellungen im Nordirak und ihre Guerilla im Südosten der Türkei fast ununterbrochen bombardiert!" So tönt es aus der rechten, eher nationalistischen Ecke der türkischen Politik zum Terroranschlag in Istanbul, der am Sonntagabend 17 Menschen das Leben gekostet und mehr als 150 verletzt hat. "Nein", schallt es aus der anderen, eher liberalen Ecke, "es waren Zellen des extrem nationalistischen Terrornetzwerks Ergenekon, das schon viele politische Morde verübt hat und alles daran setzt, das Land in bürgerkriegsähnliche Zustände zu stürzen!"

Noch keine Erkenntnisse. Zwar tappt die Polizei noch immer im Dunkeln, doch rechte und liberale Presse und Politik malen ihre jeweiligen Teufel schon jetzt an die Wand. "Wenn es die PKK war, ist das schlimm, weil sie ihre lang geäußerte Drohung wahr gemacht hat, den Krieg in die Städte zu tragen", schreibt Rusen Cakir, PKK- und Terror-Spezialist, in der Zeitung "Vatan". Und er fährt fort: "Wenn sie es nicht war, ist es freilich schlimmer!" Denn dann hat die Türkei gleich zwei heimische Terrororganisationen, die solche Anschläge verüben.

Tourismus ist Schlager. Was heißt das für den türkischen Tourismus? Mehr noch als in anderen Schwellenländern ist die Reisebranche in der Türkei ein richtiger Export- und Wirtschaftsschlager. Hier ging die Rechnung, wonach der Tourismus nur relativ geringe Investitionen braucht und gleichzeitig viele Arbeitsplätze schafft, bisher vorzüglich auf. In den 70er- Jahren kamen jährlich nur etwa 500.000 Menschen als Besucher nach Anatolien. Anfang des neuen Jahrtausends lag diese Zahl bei etwa acht Millionen und 2007 bei fast 24 Millionen. In jenem Jahr stand die Türkei in der Liste der meistbereisten Länder bereits an achter Stelle und in den ersten fünf Monaten von 2008 sind die touristischen Einnahmen noch um 22,5 Prozent gestiegen.

Schulterzucken. An den Küsten basteln die Hoteliers an Plänen, die Winterbelegung auszuweiten. Die Städte, allen voran Istanbul, setzen auf Städte-, Tagungs- und Veranstaltungstourismus. Jetzt dieser Anschlag - und es weiß keiner, wie es weitergeht: Bleiben jetzt die Touristen aus und sinkt der Anteil der touristischen Einahmen am Exporterlös, der heute bei über 30 Prozent liegt?

Schon schlimmere Erfahrungen. Die türkischen Touristiker zucken bisher auf solche Fragen mit der Schulter. Gegen das, was sie in den letzten Jahren durchgemacht haben, ist der jüngste Anschlag in einem Randbezirk Istanbuls, in den sich normalerweise keine Reisegruppe verirrt, nur eine "kleine Störung". 2006 hatte die Vogelgrippe für Aufregung gesorgt, 2005 starben in Kusadasi an der Ägäis fünf Touristen bei einem Anschlag einer Untergruppe der PKK. Und es passierte nichts. Selbst als im November 2003 drei Bomben einer Al-Kaida-Zelle in Istanbul explodierten und viel mehr Menschen starben, blieb das Geschäft 2004 im Wesentlichen unbeeinflusst.

Das hat mehrere Gründe: Die Behörden wissen um die Bedeutung des Tourismus und gehen vorsichtig mit extra Sicherheitsmaßnahmen um. Die Menschen in der Türkei halten wenig vom Erinnern. Und der moderne Tourist? Er weiß, dass heute die Bedrohung kein Zuhause hat. Und falls in einem oder anderen Falle doch? Dann will er es vergessen, und das macht er im Urlaub.