Pariser Schwarzfahrer suchen für gewöhnlich nicht gerade das Licht der Öffentlichkeit. Wer über einen gut trainierten Oberkörper verfügt, setzt in der Metrostation mit einer Flanke übers Drehkreuz, um sogleich wieder einzutauchen ins Dunkel der Gänge. Weniger sportliche Zeitgenossen drücken sich von hinten fest an einen die Sperre durchschreitenden Fahrgast, entbieten dem über so viel Körperkontakt verdutzten Vordermann ein charmantes Lächeln und suchen ihrerseits das Weite.

Neues Selbstbewusstsein

Aber in diesen Tagen ist alles anders. Da geht so mancher Schwarzfahrer mit stolz geschwellter Brust in die Offensive, sucht Rundfunkmikrofon und Fernsehkamera. Schließlich bietet sich die einmalige Chance, das Image des Schmarotzers abzustreifen, der auf Kosten der Solidargemeinschaft Busse und Bahnen nutzt. Das Gegenteil sei richtig, versichern die lange Zeit gesellschaftlich Geächteten. Die wahre Solidargemeinschaft, das seien nicht die zahlenden Fahrgäste. Das seien sie selbst, die Schwarzfahrer.

In der Tat haben zum Nulltarif reisende Nahverkehrsnutzer Solidarität bewiesen. Sie haben "Schwarzfahrersozialversicherungen" gegründet. Für einen Monatsbeitrag von fünf bis sieben Euro erstattet das Kollektiv einem auf frischer Tat ertappten Mitglied die Geldstrafe. Etwa ein Dutzend solcher "Mutuelles" genannter Versicherungsgemeinschaften gibt es in Paris bereits. Und wie bei den ebenfalls "Mutuelles" genannten Krankenversicherungen auf Gegenseitigkeit sind die Mitglieder voll des Lobes.

Oft nicht finanzierbar

Jeanne, Pariser Studentin und bekennende Schwarzfahrerin, preist die mit Gleichgesinnten gegründete Versicherung als "soziale Errungenschaft". Für so manchen Kommilitonen oder jungen Arbeiter bedeuteten die 53 Euro für ein Monatsabonnement schlichtweg Hausarrest, meint Jeanne. Noch schlimmer seien diejenigen dran, die in einer der heruntergekommenen Pariser Vorstädte lebten und für längere Fahrtwege deutlich mehr zu zahlen hätten. Das Schwarzfahrern abgeknöpfte Bußgeld von 72 Euro könne sozial Schwache in den Ruin treiben.

Philippe Touzet, ein bei der Pariser Nahverkehrsgesellschaft RATP beschäftigter Gewerkschafter, sieht in Jeanne und ihren Mitstreitern bereits eine politische Avantgarde, die eine Debatte über kostenlose Nahverkehrsnutzung lostreten könne. Wobei die neuen "Mutuelles" ihr Kundenpotenzial bei Weitem nicht ausgeschöpft haben dürften. Schätzungen zufolge stellen Schwarzfahrer in Paris fünf Prozent und in den Vorstädten zehn Prozent der Fahrgäste.