Erste Erkenntnis: Tschiernock und Tschierweger Nock sind nicht dasselbe. Irgendwo zwischen diesen beiden sanften Zweitausendern mit ihren saftigen Grasmatten stehen wir im dichten Nebel und versuchen, uns die herrliche Aussicht über Millstätter See und Drautal bis hin zu den Karawanken vorzustellen, die die Höhenwanderer hier normalerweise belohnt. Aber was ist normal?

Im Frühsommer begleiten uns Regen, Nebel, kalter Wind und mitunter sogar Schneefall auf den Etappen 12, 13 und 14 des Alpe-Adria-Trails. Der Stimmung tut das keinen Abbruch. Wir hören „Junischnee“ von den Seern und sind im Grunde froh, nicht in Sommerhitze über den schattenlosen Pfad jenseits der Baumgrenze zu wandern. Fast 15 Kilometer lang folgt die Route hier jeder Windung des Berggrats, bevor man über Matzelsdorf wieder nach Döbriach ins Tal steigt. Da geht’s mehr als 1500 Höhenmeter hinunter, für die man auch noch Kräfte braucht.

Millstätter Alpe mit Blick auf den Millstätter See | Millstätter Alpe mit Blick auf den Millstätter See
Millstätter Alpe mit Blick auf den Millstätter See
| Millstätter Alpe mit Blick auf den Millstätter See © Franz Gerdl

Der Alpe-Adria-Trail, Weitwanderweg vom Fuß des Großglockners durch Kärnten, Slowenien und Italien bis an die Küste bei Triest, bildet seit 2012 das Rückgrat für einen sanften Tourismus. Jetzt wollen die Anbieter den nächsten Schritt setzen: klimaneutrales Wandern. Stefan Lieb-Lind, der als „Trail Angel“ die Gehfreudigen betreut, macht sich keine Illusionen. Er weiß, welch schweren Rucksack er schultert, wenn der „Klimarucksack“ leer bleiben soll. Dass Wandergruppen möglichst mit Zug und Bus anreisen, wäre ein Teil der Miete.

Das ist mühsam genug, wie der Praxistest zeigt: Am Bahnhof Spittal/Drau hatte uns der Zug ausgespuckt, dann standen wir ein bisserl verloren auf dem Busbahnhof mit 1970er-Jahre-Charme herum. Da geht wohl noch einiges an Komfortsteigerung, wenn man auf diesem Pfad voranschreiten will.

Millstätter Alpe mit Granattor | Ein Kraftplatz auf dem Höhentrail: das Granattor
Millstätter Alpe mit Granattor
| Ein Kraftplatz auf dem Höhentrail: das Granattor © Franz Gerdl

Dazu kommen Nächtigungen, Verpflegung, Transfers, Gepäcktransport. Um auf die begehrte Null zu kommen, starten die Kärntner das Pilotprojekt „Wandern ohne Fußabdruck“: Die Quartiere werden nach Klimagesichtspunkten ausgewählt, ein eigens gekaufter Elektro-Shuttlebus steht bereit. Am Ende der Reise werden die Emissionen durch Kompensationszahlungen ausgeglichen. Derzeit besteht eine Partnerschaft mit dem Wildnisgebiet Dürrenstein. Der Alpenverein startet 2025 ein Carbon-Offset-Projekt: Wälder am Alpe-Adria-Trail werden für mindestens 80 Jahre außer Nutzung gestellt, CO₂ wird langfristig gebunden. Wer will, bekommt den ökologischen Ritterschlag zum „Alpe-Adria-Trail Climate Trekker“.

Käsejause auf der Alexanderhütte | Käsejause auf der Alexanderhütte
Käsejause auf der Alexanderhütte
| Käsejause auf der Alexanderhütte © Franz Gerdl

Partner, die dieses Denken abseits von Greenwashing glaubwürdig verkörpern, gibt es entlang der Route zur Genüge. Da ist etwa Franz-Stefan Glabischnig, der mit seinen Eltern, seiner Frau Stefanie und mit den Geschwistern Peter, Anna und Simon die Alexanderhütte hoch über Millstatt bewirtschaftet. Ein Familienbetrieb im besten Sinn, inspiriert vom Pionier Franz Glabischnig senior, der seit 40 Jahren als Senner und Biolandwirt vorangeht. „Wir wurden verlacht, weil niemand an dieses Konzept glaubte.“ Er hat die Hütte einst gekauft, versteht sich aber nur als Verwalter auf Zeit: „Mitnehmen kann ja keiner was.“

Käsemeister Jakob Kohlweiß mit den Köstlichkeiten der „Kaslab‘n“ | Käsemeister Jakob Kohlweiß mit den Köstlichkeiten der „Kaslab‘n“
Käsemeister Jakob Kohlweiß mit den Köstlichkeiten der „Kaslab‘n“
| Käsemeister Jakob Kohlweiß mit den Köstlichkeiten der „Kaslab‘n“ © KK

Der Erfolg hat Skeptiker verstummen lassen. Die Bio-Käserei auf der nachhaltig bewirtschafteten Alm liefert Köstliches aus Ziegen- und Kuhmilch in die „Kaslab’n“ in Radenthein. Die trendige Schaukäserei, in der man viel über Produktion und Reifung erfährt, ist ein Zusammenschluss regionaler Biobauern, man ist stolz auf sanfte Bewirtschaftung, kurze Transportwege, Klasse statt Masse. Womit man dieses Projekt auch als Sinnbild sehen kann für die Genüsse des klimaverträglichen Urlaubens in den Alpen.