Nach der Rückkehr aus dem Urlaub mit dem Satz „Ich war im Mostviertel auf Radurlaub.“ Eindruck zu schinden, funktioniert nicht. Außer es folgt der Nachsatz: „Und stellt euch vor, ich bin an Felix Neureuther vorbeigeradelt.“ Insofern könnte das Kalkül der Niederösterreich Werbung aufgehen, für die der Ex-Skiprofi als Radbotschafter auftritt.

Mit seinem Schmäh kommt er über Ländergrenzen hinweg gut an: „Willkommen in meiner neuen Heimat“, scherzt der dreifache Familienvater am Beginn des Ybbstalradwegs. Als türkis-grünes Highlight schlängelt sich dieser 107 Kilometer durch das Mostviertel. Mit Kindern im Schlepptau kann die Strecke auch unkompliziert in Etappen gemacht werden. Ein Shuttle-Service samt Radanhänger bringt alle wieder zum gewünschten Ausgangspunkt zurück.

Radeln, Genießen, Weiterradeln

Als Radbotschafter ist der Garmisch-Partenkirchener kein Werbeschmäh: „Ich verbringe hier auch meinen Urlaub, aber Niederösterreich ist ja groß.“ Knapp 1500 Kilometer Radrouten gibt es. Entlang der Ybbs geht es von der Donau bis zum Bergsee. Als Start oder Zwischenziel beliebt ist das charmante Städtchen Waidhofen. Von hier weg geht es entlang einer ehemaligen Bahntrasse gleichmäßig dahin. Und zugleich malerisch über Brücken und durch Tunnel. An die eingestellten Ybbstalbahn erinnert außerdem der „Schafkäs Express“, eine zum Museum umgebaute Zuggarnitur.

Pack die Badehose ein

An warmen Tagen lädt das Flussradeln zur Abkühlung und Rast an mehreren Badeplätzen ein. Zum Beispiel im Naturbad Kematen samt Wasserspielplatz und kleiner Floßfähre. Im nostalgischen Flussbad Hollenstein, direkt an der Ybbs, wartet ein Badeerlebnis mit Retrocharme. Zum Reinköpfeln sollte es dann aber doch der Lunzer See sein. Und dort trifft man mit Sicherheit auf den nächsten ehemaligen Skirennläufer. ÖSV-Speedspezialist Andreas Buder hat in Lunz ein Radzentrum mit Verleih, Werkstatt und Shop aufgebaut. Angeboten werden auch geführte Touren – auch mit dem Mountainbike. Geboten wird eine überraschende Vielfalt: Mit dem Hochkar ist auch mit dem Rennrad ein Gipfelsieg möglich.

In unmittelbarer Nähe verbirgt sich im Medlingtal eine einzigartige Attraktion: Der einst gängige Form der Holzbringung wird beim Schautriften wieder beobachtbar: In der Schlucht werden die Holzstämme mit dem Stauwasser abwärts gespült. Auch beim Schluchtenwandern durch die Ötschergräben wandert man an den einstigen Klausen der Holzknechte vorbei. Führungen zu Sonnenaufgang oder bei Nacht bietet das Team vom Naturpark Ötscher-Tormäuer an. Familienbonus: Beim Durchwandern der insgesamt 20 Kilometer langen Schlucht, die mit türkisblauen Wasserspielen und Grand-Canyons-Feeling nicht geizt, gibt es mehrere Ausstiegspunkte. Und am Weg zurück kann man in die Mariazellerbahn einsteigen, die den Ötscher umkurvt.

Handwerkskunst: Ybbsitzer Kultschmied

Wer sich für einen Abstecher nach Ybbsitz in die Pedale tritt, unternimmt eine Zeitreise. Im Tal der Kleinen Ybbs gibt es eine lange Schmiedetradition mit einst über 70 aktiven Schmiedemeistern. Eines der historischen Hammerwerke revitalisiert hat Sepp Eybl. Und für Besucher wirft er riesige Schmiedemaschinen, die schon während der industriellen Revolution oder noch davor liefen, an. Doch der gigantische, 500 Jahre alte Hammer täuscht: Der 70-jährige Kunstschmied formt aus dem heißen Eisen trotzdem ein filigranes Blatt. Wer sich länger als für eine Führung Zeit nimmt, kann auch Schmiedekurse buchen: Sechs Feuerstellen und sechs Ambosse können in der Schmiede aus dem späten 15. Jahrhundert gleichzeitig bedient werden. Seinem Namen gerecht wird das Mostviertel auch mit seinen „Labestationen“, den Mosthütten oder sogar Getränkebrunnen. Wer bei Most gleich an Äpfel denkt, liegt falsch. Vielmehr wird traditionell Birnenmost getrunken. Oder um beim Radeln zu bleiben: „Biernen-Radler“.