Es ist tropisch heiß in Singapur. Im stark heruntergekühlten Smart Cities Lab der ETH Zürich im Create Tower der National University of Singapore wälzt sich der Hitzeschwall wie gleißende Lava über einen Wandscreen. Binnen 60 Sekunden lässt Gerhard Schmitt mit animierten Temperaturdaten die Stadt erglühen, abkühlen und wieder erglühen, im Rhythmus der täglichen Verkehrsspitzen sowie noch stärker der nächtlichen Energieverbrauchsspitzen der Klimaanlagen in den Wohnvierteln der Metropole.

ETH-Professor Gerhard Schmitt leitet das Projekt "Cooling Singapore"
ETH-Professor Gerhard Schmitt leitet das Projekt "Cooling Singapore" © Winkler

„Die stärkste Hitzeausstrahlung neben Verkehr und Industrie üben Asphaltflächen der Straßen und Betonkörper der Gebäude aus“, erklärt Schmitt. Der Architekturprofessor der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich leitet als CEO des ETH Centers in Singapur das Projekt „Cooling Singapore“. Es hat Vorbildwirkung für die sich global ausdehnenden Metropolen wie auch kleine Städte, die zunehmend unter dem Phänomen von „Urban Heat Islands“, städtischen Hitzeinseln, leiden würden. Das Problem des „UHI-Effekts“, erklärt Schmitt, sei doppelt verschärft durch die Klimaerwärmung, weil die sich ausweitenden Hitzeinseln zusätzliche Energie der Kühlung erfordern.

In Singapur, weltweit unter den führenden Smart Cities, hat man im Stadtzentrum ein kilometerlanges Labyrinth gekühlter Untergrund-Fußgängerpassagen gebaut. Doch zu ebener Erde geraten 5,6 Millionen Einwohner zunehmend ins Schwitzen. Die Jahresdurchschnittstemperatur von rund 27 Grad Celsius steigt durch den UHI-Effekt um bis zu sieben Grad an. Mehrere Universitäten aus aller Welt sind an „Cooling Singapore“ beteiligt, um Strategien zur Abkühlung zu entwickeln.
Zu behaglicheren und umweltverträglicheren Lebensbedingungen der Stadtbewohner würden Architektur und Materialien beitragen, etwa indem Gebäude auch mit winddurchlässigen Elementen konstruiert werden, oder Dächer und Fassaden mit hochreflektierenden Materialien Hitze abweisen. Vor allem setzt man dem UHI-Effekt Pflanzen und Bäume entgegen. Begrünte Hausfassaden und Dächer prägen schon jetzt weithin das Stadtbild. Am berühmten Parkroyal Hotel wuchern Palmen auf luftigen Terrassen. Im neuen Terminal des Changi Airports kühlt in Dschungel-umgebung der höchste Indoor-Wasserfall der Welt.

Forest City

Es wäre aber nicht Singapur, wenn an anderer Stelle nicht Kapitalkolosse das Megageschäft mit grünem Wohnen wittern würden. Auf vier Singapur vorgelagerten Inseln in Malaysia plant der in Hongkong angesiedelte Immobiliengigant Country Garden eine „Forest City“. Für eine Investitionssumme von 100 Milliarden US-Dollar soll eine über und über begrünte Stadt für 700.000 Einwohner entstehen. Derzeit ragen die ersten Wohntürme noch nackt in den Himmel, ein eröffneter Golfplatz erscheint vorerst als eine der größeren Grünflächen.

Die als Öko-Modellstadt angepriesene „Forest City“ ist in Malaysia höchst umstritten. Premierminister Mahathir Mohamad hat angedroht, Ausländern, die dort Wohnungen kaufen wollen, keine Visa zu erteilen. Die einheimische Bevölkerung würde sich die teuren Wohnungen nicht leisten können.
Auch der ökologische Anspruch wird kritisch hinterfragt. ETH-Professor Schmitt hält von Forest City wenig. „Es ist als Wohnstadt geplant und würde durch täglichen Pendlerverkehr nach Singapur noch mehr Emissionen und Hitzeinseln verursachen.“