"Der Meteorit ist aufgeschlagen, die Dinosaurier sind tot": Apokalyptische Auswirkungen hat in den Augen von Pete Wentz, Bassist der Band Fall Out Boy, das Raubkopieren auf das Musikbusiness gehabt. Und wie in der Naturgeschichte erweisen sich auch in der Musikbranche die Kleinen geschickter im Umgang mit Veränderungen als die riesigen Dinosaurier bzw. Plattenlabels. An 15 von einer Jury ausgewählten Beispielen wird deutlich: Musik und Internet sind in Zukunft untrennbar verbunden.

Aus dem Musikverkauf wird immer weniger Geld gemacht, dieses Mantra durchzieht seit längerem die Diskussion um Musik im digitalen Zeitalter. Die Einnahmen sollen künftig aus dem Umfeld kommen, und da orten die präsentierten Projekte viel Potenzial. So kehrt die Musikbranche ein Jahrzehnt nach dem Platzen der New Economy-Blase zur Präsentation von Webseiten zurück - mit durchaus spannenden Ideen, die noch nicht alle einsatzbereit sind.

Ein fast bis zur Schmerzgrenze persönliches Webradio etwa will Radionomy.com bieten: Zwischen den Musikstücken verliest eine Computerstimme jene Statusmeldungen, die auf dem Facebook-Profil des Hörers eintreffen. "Niemand muss heute mehr mit einem Roadie intim werden, um seine liebste Band zu treffen", verspricht Yancey Strickler von Kickstarter.com. Dort können Künstler auch außerhalb des Musikbusiness Verbindung mit ihren Fans aufnehmen, um sich von denen neue Projekte (CDs, Bücher etc.) vorfinanzieren zu lassen. Bei der Belohnung für ihre Anhänger können die Künstler kreativ sein: So gibt's für spendierfreudige Fans alles vom Lob auf Twitter bis zur Nennung in einem Song. Die Erinnerungen an das Lieblings-Konzert wiederum kann man auf Songkick.com mit jenen teilen, die auch dort waren und Fotos gemacht haben oder die Setlist beisteuern können.

Amateur-Seiten

Auch die Amateur-Revolution hat die Musikindustrie nun für sich entdeckt. Mit "Myna" (http://www.aviary.com/tools/Myna) und Tracksandfields.com kann jedermann gemeinsam Musik erstellen und weltweit austauschen, die "Gomix"-Applikation auf Facebook und Myspace erlaubt Amateuren, Tracks bekannter Künstler neu zu mischen. 125.000 Remixes wurden erstellt, einige davon mehr als 100.000 mal gehört, schilderten die Macher. Dabei gibt es bisher nur 25 Songs, die bearbeitet werden können - das soll künftig rasant ansteigen. Und in Zukunft soll man die eigenen Kreationen auch als mp3-Datei kaufen können.

Musik soll auch aus dem üblichen Kontext herausgelöst werde. Einen Clubbesuch ohne teuren Alkohol und blöde Anmachsprüche will das französische Projekt "Awdio" ermöglichen: Über eine Website kann man live-übertragene Musik aus 180 Clubs in 35 Städten in aller Welt hören und u.a. für seine eigene Party zu Hause verwenden. Auch für Live-Konzerte muss man künftig nicht mehr außer Haus gehen, geht es nach Streamjam.com: Das zweite Leben, das die Plattform bieten will, sieht aus wie "Second Life" und dreht sich ganz um Musik. Ein virtuelles Musikfestival, das niemals endet, sollen die Besucher vom Schreibtischsessel aus besuchen können, und sich dazu als Avatar, als künstliche 3-D-Spielfigur, durch Konzerte, Chats mit Künstlern und diverse Merchandising-Shops bewegen.

Doch auch die Bands selbst und deren Investoren suchen neue Nutzungsformen des Internets. BandCentral.com bringt die notwendigen Tools online, um eine Band zu managen, von Tour-Kalender über Ausgaben-Übersicht bis hin zum SMS-Alarm für vergessliche Bandmitglieder. Bandmetrics.com wiederum analysiert das Online-Verhalten von Fans, liefert Info über Radio-Einsätze und jene Städte, in denen die Fans am aktivsten sind - Tourplanung 2.0.

Werbefinanziert

Viele der Projekte sollen entweder werbefinanziert oder gegen monatliche Gebühren in einer "Premium"-Version nutzbar sein. "Musik und Technologie waren noch nie so eng verwoben", hieß es zu Beginn der Präsentation. Bei den neuen technischen Plattformen geht es im Unterschied zu Online-Musikstores aber nicht um Verkäufe - sondern "sinnvolle Fan-Bindung", wie Duncan Freeman von Bandcentral zusammenfasst.