Rüdiger Wratschnig ist frustriert. Seit Stunden ist sein Unternehmen bereits von der Außenwelt "abgeschnitten". Sämtliche Firmen-Handys sowie die stationäre Telefonanlage an den Standorten Wien und Klagenfurt sind ausgefallen. Wratschnig leitet die Kärntner Niederlassung der Personalleasing-Firma Unimont. Seine Mitarbeiter und er zählten zu jenen 300.000 Kunden des Mobilfunkers "Drei", die von Dienstagfrüh bis Dienstagnachmittag kein Netz hatten. "Wir haben ein kompliziertes und extrem kurzfristiges Geschäft. Über Stunden hinweg nicht erreichbar zu sein, ist eine Katastrophe." Mitarbeiter konnten nicht über Aufträge informiert werden, Kunden konnten keine neuen Aufträge erteilen.

Der teilweise Server-Ausfall bei Österreichs drittgrößtem Mobilfunkanbieter sorgte aber nicht nur bei Kunden für Frustration. Auch bei "Drei" selbst gab man sich zerknirscht. "Sehr viele Techniker arbeiten an der Behebung des Problems", versuchte Sprecherin Petra Jakob zu kalmieren. Mit der Problembehebung gegen 15 Uhr war die Arbeit jedenfalls nicht getan. "Der Fall wird detailliert aufgearbeitet", wird versichert. Zusätzliche Stabilitätsmaßnahmen werden in Aussicht gestellt.

Knapp 300.000 der insgesamt 3,4 Millionen Kunden waren betroffen, die Probleme beschränkten sich nicht auf eine bestimmte Region. "Drei" hatte bereits im Zuge der Fusion mit dem Orange-Netz wiederholt mit Netzproblemen zu kämpfen. Die gestrigen Probleme führt Joachim Fabini vom Institute of Telecommunications an der TU Wien auch auf die Zusammenlegung der beiden Netze zurück. Mit jeder neuen Technologie erhöhe sich die Komplexität. "Und wenn es beim Einspielen eines Software-Udpates nur zu einem kleinen Fehler kommt, steht das ganze System", sagt Fabini.

An eine Häufung solcher Vorfälle glaubt der Experte jedoch nicht, auch wenn die Anbieter an der Kostenschraube drehen würden. Um die zwei Milliarden Euro zahlten Telekom, T-Mobile und Drei im Vorjahr für die neuen LTE-Frequenzen. Jetzt fehle das Geld für den notwendigen Netzausbau - und das geht letztlich zulasten der Versorgungsqualität. "Die Datenmengen bei mobiler Internetnutzung steigen enorm, das führt zu einer Unterdimensionierung der Netzkapazitäten", sagt Fabini. Generell könne sich die Qualität des österreichischen Mobilfunknetzes im internationalen Vergleich sehen lassen, wie Tests zeigen. Die Sprachqualität ist bei allen Anbietern hoch, die Verfügbarkeit liegt bei 97 bis 98 Prozent, die Ausfallsanfälligkeit durch Sicherheitsnetze minimiert. Was bleibt, ist eine minimale Restwahrscheinlichkeit für einen Ausfall. Passiert er, befeuert reflexartig eine Festnetz-Nostalgie die Debatte.

Festnetz als Alternative

Tatsächlich ist dieses Kommunikationsnetz viel stabiler. Die Verfügbarkeit liegt bei 99,9999 Prozent. "Das entspricht einer durchschnittlichen Ausfallsdauer von einer halben Minute pro Jahr", rechnet Otto Koudelka, Leiter des Instituts für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation an der Technischen Universität Graz, vor.

Die Kosten für diese Sicherheit steigen aber mit jedem Neuner hinter dem Komma exponentiell an. Bei den Handynetzbetreibern bleibt es daher ein Kompromiss. Sie kommen auf einen Wert von 99,95 Prozent - was rund viereinhalb Stunden Verbindungsflaute pro Jahr entspricht.

Sicherheit hin oder her: Nur noch rund die Hälfte der österreichischen Haushalte verfügt über einen ausfallsimmunen Festnetzanschluss. Zum Vergleich: Um die Jahrtausendwende hatten noch 87 von 100 österreichischen Haushalten einen.

Ein Ende der Migration in die mobile Welt ist nicht absehbar. Damit steigt die emotionale Bindung an den tragbaren Alleskönner. Die teils geradezu hysterischen Reaktionen, die sich nach dem gestrigen "Blackout" insbesondere in sozialen Netzwerken ausbreiteten, verdeutlichen dieses soziale und kommunikationstechnische Phänomen: die Abhängigkeit einer Gesellschaft von ihren Mobiltelefonen.

Facebook-Kommentare wie "man könnte das Gerät gegen die Wand hauen, weil nix geht" oder "das ist ein Horror" hatten fast panischen Charakter. Das untermauert auch eine brandaktuelle Studie der California State University, die zu folgendem Schluss kommt: "Nimmt man Menschen ihr Smartphone weg, halten sie es nicht einmal zehn Minuten aus, ohne nervös zu werden." Auch in England kamen Wissenschaftler im Rahmen einer Untersuchung zum Ergebnis, dass gut zwei Drittel der Konsumenten Angst davor haben, nicht erreichbar zu sein.

Zu allem Überdruss hatte "Drei" gerade gestern großflächig in Tageszeitungen die neue Werbekampagne mit dem Slogan "Wir drücken den Pause-Knopf für Sie" lanciert. Durch den Netzkollaps wurde es eine in ihrer Radikalität ungewollte Pause. "Das war ein äußerst unglücklicher Zufall", betont "Drei"-Sprecherin Jakob. Mit dem teilweisen Netzausfall habe die Marketingaktion jedenfalls nichts zu tun gehabt. Größere Veranstaltungen, darunter am Wiener Stephansplatz oder in anderen Landeshauptstädten die zu dieser Pause-Initiative geplant waren, wurden dennoch kurzerhand abgesagt. Ein strategischer Fehler, wie der auf Krisenkommunikation spezialisierte Grazer PR-Experte Martin Zechner findet. Es sehe zu sehr nach Schuldeingeständnis aus. Stattdessen müsse man bei derartigen Kollisionen die Marketingkampagne gezielt von den technischen Komplikationen trennen: "Das Blackout professionell erklären und an der Kampagne festhalten", hätte er geraten.

Schadensersatz?

Ein Anrecht auf finanzielle Entschädigung für den teilweisen Ausfall gibt's übrigens nicht. Ausfälle wie diese sind durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gedeckt. Garantiert wird eine Verfügbarkeit von 97 Prozent - über das gesamte Kalenderjahr hinweg - das würde einem Ausfall von elf Tagen entsprechen.