Es ist, als wäre die ganze Welt ein Marmeladenglas. Zuckersüß, klebrig - und doch ein in sich geschlossenes Universum. Die größte Spielemesse der Welt, die E3 in Los Angeles, öffnete gestern ihre Tore. Tausende Journalisten und Branchen-Insider tummeln sich in zwei gigantischen Messehallen, deren Innenleben einem reizüberfluteten Zuckerschock sehr nahe kommt. Als gäbe es keine Krise da draußen. Als würden Spieler noch immer auf alles warten, was Microsoft, Sony, Nintendo & Co so alles aushecken.

Kritische Fragen sind da fehl am Platz. Am Montag präsentierte Microsoft seine neue Xbox One der Weltöffentlichkeit, sie soll im November um stolze 499 Euro auf den heimischen Markt kommen. Kein Wort verlor der Konzern jedoch über die lautstarke Kritik, die im Vorfeld die Debatte um die neue Konsolen-Generation beherrschte. Online-Zwang? Entrechtung der Spieler beim Kauf von Gebrauchtspielen? Ein Bewegungssensor, der ins Wohnzimmer der Spieler blicken kann? Nein, nicht hier, nicht jetzt. Stattdessen: Ein beeindruckendes Spieleprogramm, angereichert mit umfangreichen Multimedia-Künsten. Die Fans nahmen es mit einer gehörigen Portion Zwangsoptimismus auf. Tolle Spiele - ja. Sich alle 24 Stunden online anmelden zu müssen und ein strikter Kopierschutz, der Spieler lediglich zu Lizenznehmern macht und den Weiterverkauf von Spielen erschwert - leider auch.

Die Zeichen der Zeit erkannte Sony wenige Stunden darauf besser. Die PlayStation 4, optisch der Linie des Hauses treu geblieben und wieder in Schwarz gehalten, geht als erster Gewinner des großen Konsolen-Showdowns hervor. Die gezeigten Spiele hinterließen zwar weniger überzeugte Blicke als jene von Microsoft, trotzdem gab es in einem Punkt beinahe Standing Ovations im Sports Memorials Center in Downtown Los Angeles. Nicht, weil die PlayStation 4 deutlich mehr könnte als Microsofts Xbox One - sondern weil sie zwei Dinge nicht kann: sich ständig mit dem Netz verbinden und gebrauchte Spiele blockieren. Dass Mehrspieler-Games künftig auch bei Sony nur gegen eine monatliche Abgabe von fünf Euro spielbar sind, störte da fast niemanden mehr. Zu schnell brandete wieder Jubel auf, als der Preis endlich bekannt gegeben wurde: 399 Euro, erhältlich ab Spätherbst.

Neue Wege

Doch was nützt all das einer Branche, die zuletzt von mehreren Seiten unter Beschuss geriet? Hunderte Euro für eine Konsole - gegenüber einem Smartphone, das heute zum Alltag gehört. Billige Download-Spiele am Tablet und Gratis-Games auf Facebook gegenüber 60-Euro-Titeln mit wenigen Stunden Spielzeit. Wie schwer sich neue Konsolen verkaufen lassen, musste zuletzt Nintendo erfahren. Gerade einmal vier Millionen Einheiten der brandneuen "Wii U" wurden heuer verkauft. Die knapp 100 Millionen Stück, die die beliebte Vorgängerkonsole "Wii" bis heute absetzte, scheinen schon jetzt unerreichbar. Ein Schicksal, das in der Branche Kopfzerbrechen auslöst. Ohne eine breite Basis an verkauften Konsolen (PlayStation 3 und Xbox 360 verkauften sich in sieben Jahren je rund 70 Millionen Mal) springen auch die Entwickler ab - und widmen sich neuen Plattformen. Bei Sony und Microsoft setzt man daher nun notgedrungen auf neue Wege. Viele Titel sollen sich künftig gratis spielen lassen - erst Abo-Modelle für Erweiterungen und bessere Inhalte bitten den Spieler zur Kasse und sollen so zur dauerhaften Einnahmequelle werden. Download-Spiele kleinerer Entwickler-Studios sollen besonders bei Sony das in der gehobenen Klasse festgefahrene Preisschema aufbrechen und für wenig Geld Spielspaß bringen. Gelingt diese Kurskorrektur nicht, sehen Experten ein jähes Ende des Lebens im Marmeladenglas. Dann dürften PlayStation 4 und Xbox One zur letzten ihrer Art werden.