Der Weg ist das Ziel - zumindest, wenn man in den Norden Schottlands aufbricht. Es geht Richtung Speyside, in jene Region rund um den Fluss Spey, an dessen Tropf rund 50 Whisky-Brennereien hängen. Zottelige Rindviecher, knuddeldicke Schafe und Ruinen wie vom Highlander persönlich verlassen – unweigerlich drosselt man das Tempo, um die Schönheit der Landschaft in sich aufzusaugen.
Nebel steigt auf und in der Ferne taucht schemenhaft eine Hügelkette auf. Nur dass hinter den „Hügeln“ in Wirklichkeit eine äußerst komplexe Dachkonstruktion steckt. Und dass unter diesem Dach einer der besten Whiskys der Welt produziert wird.
„The Macallan“ hat Weltruf. Nicht etwa, weil ihn James Bond in zwei Filmen trinkt. Das Produkt selbst spricht für sich – die Qualität ist herausragend und vielfach preisgekrönt, die handwerkliche Kunst dahinter vollendet. Schon Autor Robert Louis Stevenson nannte Whisky schlicht „king o’drinks“, den König unter den Drinks. Lange bevor er den Rum entdeckte, zur Feder griff und mit der „Schatzinsel“ weltbekannt wurde. Doch welches Schloss die Macallan-Destillerie ihrem König hier in Craigellachie erbauen würde, hätte er sich wohl nie träumen lassen.
Unter vier der „Hügel“ erstrecken sich die Kupferkessel der Destillerie. Knapp 27 Meter misst die Höhe unter der größten Kuppel des Besucherzentrums. Ein Link zur Heimat: Etwa 380.000 Einzelteile des gewaltigen Holzdaches wurden in Österreich gefertigt. Binnen fünf Monaten fügte man die Teile dann in Schottland zusammen.
Abgekapselt von dem Besucherstrom reift der Macallan in Sherry-Eichenfässern aus eigener Produktion. Er schmeckt niemals rau, scharf oder eckig wie so mancher Whisky von den Inseln. Nie so, als würde man eine Handvoll schottische Oberfläche mit den Zähnen abkratzen. Im Gegenteil. Er schmiegt sich rund und weich an den Gaumen, gibt honigsüßen und Zitrusnoten, Karamell, Rosinen und Zimt ein gemeinsames Zuhause.
Der Macallan ist ein stilles Getränk. Fast könnte man meinen, er strahle auch im Glas noch die Ruhe aus, die ihm in den Jahren im Eichenfass so gut bekommt. Auch wenn es rund um den Whisky mitunter recht turbulent zugeht. Etwa bei einer Versteigerung wie der im Oktober 2018. Als eine seltene, 60 Jahre alte Flasche Macallan Valerio Adami 1926 in Edinburgh für den bislang höchsten Preis in der Geschichte – 947.000 Euro – verkauft wurde. Darauf - und auf die neue Destillerie - einen Toast.
Birgit Pichler