Nächsten Donnerstag krönt oder enthauptet der Gault- Millau-Führer die Köche des Landes. Sie haben sich mit 27 Jahren in der Saziani Stub'n drei Hauben und einen Michelin-Stern erkocht. Seit einem Jahr sind Sie im (Noch-)Null-Hauben-Lokal San Pietro. Wie geht's Ihnen derzeit? Können Sie noch schlafen?

JÜRGEN KLEINHAPPL: Diese Zeit ist vorbei. Ich habe mir ja schon drei Hauben erkocht. Vor zwei Jahren war der Druck größer. Wir hatten die Vorgabe, das beste Restaurant der Steiermark zu werden. Hier haben wir die Vorgabe, gut zu kochen. Hier bin ich gelöster.

Sind drei Hauben ein Fluch?

KLEINHAPPL: Ja, ein wenig. Ich sage immer: Ich bin kein Dreihaubenkoch mehr, ich bin der Küchenchef vom San Pietro. Damit muss man selber klar kommen. Für viele Menschen sind Hauben und Sterne abschreckend. Wir haben versucht, eine steirisch-mediterrane Küchenlinie zu finden. Jetzt schauen wir einmal, wie Gault Millau uns bewertet. Für mich ist die Zufriedenheit der Gäste am wichtigsten. Das zählt.

Ein Koch wird nun einmal bewertet. Klingt nach Schutz, falls es mit der Haube nicht klappt?

KLEINHAPPL: Was will ich noch erreichen? Mein Ziel war es, möglichst viele Leute in Graz glücklich zu machen. Ich war fast ganz oben in der Steiermark. Viele dachten sich, das San Pietro ist ein Schritt zurück. Für mich war's einer nach oben.

Warum?

KLEINHAPPL: Weil ich hier in Graz mehr Gäste bedienen kann als am Land - vom Studenten bis zum Bankdirektor. Eine Haube steht weder bei mir noch bei uns an erster Stelle.

Finden Sie es dennoch gut, dass es solche Führer gibt? KLEINHAPPL: Ja, für das internationale Publikum ist das wichtig.

Und wie definiert man im San Pietro gute Qualität?

KLEINHAPPL: Der Küchenstil soll einfach sein. Ich will eine gerade Linie kochen, also weder verschnörkelt noch verspielt.

Klingt nicht unbedingt nach Wow-Erlebnis. Wie schmeckt eine gerade Linie?

KLEINHAPPL: Das ist zum Beispiel ein guter Fisch mit einer guten Gemüsebeilage und einer Soße.

Isst man im Haubenlokal besser?

KLEINHAPPL: Das hängt davon ab, wo man hingeht. Manche werden, aus meiner Sicht, zu hoch bewertet. Es wird vielleicht Gerichte geben, die bei uns gleich schmecken wie in einem Dreihaubenlokal. Vom Detail her kocht ein Dreihaubenlokal feiner. Beim Neumeister hatte ich 24 Soßen, hier bin ich bei 13.

Wo gustiert denn ein Ex-DreiHaubenkoch?

KLEINHAPPL: Ich gehe am liebsten in Drei- oder Vierhaubenlokale.

Also nicht in Graz, weil es hier nur Zweihaubenlokale gibt?

KLEINHAPPL: Stimmt. Aber wenn

ich auf Reisen bin, besuche ich Kollegen. Sonst gehe ich sehr gerne bürgerlich essen.

Was bestellen Sie dann?

KLEINHAPPL: Backhendl oder Schnitzel. Gerne im Raum Weiz und eher in versteckten Lokalen.

Zurück zu Graz: Warum klappt es hier nicht mit drei Hauben?

KLEINHAPPL Mit dem Grazer Gast ist das so: Er fährt am Wochenende gerne raus aufs Land und unter der Woche kehrt er bei uns ein. Es ist nicht so, dass sich der Grazer nichts gönnt. Aber den High-End-Bereich schaut er sich einmal an, zum Stammgast wird er bei uns, wo ein Gang zwischen neun und 26 Euro kostet.

Drei Hauben für Graz in Sicht?

KLEINHAPPL: Momentan nicht.

Wo müsste man ansetzen? Das Rezept des Profis?

KLEINHAPPL: Ich glaube, Graz ist auf einem guten Weg - zum Beispiel mit der Genusshauptstadt. Aber es geht noch mehr. Eine Gästeschicht wie in Salzburg oder Wien bringen unsere Kulturveranstaltungen nicht. Und außerdem haben wir kein Fünfsternehotel mehr. Mit 10 bis 15 Sitzplätzen und einem Spitzenhotel wie dem Hilton im Rücken - das könnte klappen.

Kochen Sie auch selber für sich?

KLEINHAPPL: Nein, fünf bis sechs Tage die Woche bin ich im Betrieb. Daheim kocht meine Freundin sehr gut.

Würzen Sie nach?

KLEINHAPPL: Nein, das traue ich mich nicht (lacht).

Sie haben sich hochgearbeitet: Was macht man als Chef garantiert nicht mehr selbst?

KLEINHAPPL: Gänseleber. In meiner Zeit im Steirereck, ich war in der Vorspeisenküche, haben wir wirklich sehr große Mengen Gänseleber gekocht. Die koche ich nicht mehr. Ich esse sie schon noch.

Bleiben Sie dem San Pietro noch ein wenig erhalten?

KLEINHAPPL: Ja, ich habe mir fest vorgenommen, die Steiermark nicht mehr zu verlassen.

Wer müsste anklopfen?

KLEINHAPPL: Niemand. Dafür bin ich zu sehr hier verwurzelt.

Letztes Jahr war aiola city die große Überraschung. Und heuer?

KLEINHAPPL: Vielleicht wir. In Graz wird es nicht viele Überraschungen geben: Der Kehlberghof wird gleich bleiben, das Sacher auch, das aiola city bleibt vielleicht gleich und Carl kriegt vielleicht noch eine Haube dazu.

Und das San Pietro?

KLEINHAPPL: Ich glaube, dass wir eine Haube kriegen. Ich erhoffe mir nicht unbedingt eine. Freuen würde ich mich natürlich schon. Und natürlich lese ich diese Führer. "A La Carte" hat uns mit 75 Punkten zuletzt ja bestätigt: als weitaus bestes Haus in Graz.