Die Druiden ernteten sie nur mit der goldenen Sichel, über der Tür aufgehängt, schützt sie vor Bösem und in England und Amerika herrscht unter ihrem Zweig Kusszwang: Um die Mistel, die in Baumkronen wächst und im Winter Früchte trägt, spinnen sich viele Mythen. Ihre Heilkraft, die schon in der Antike geschätzt wurde, wurde wiederentdeckt: Die Misteltherapie ist jene Begleittherapie für Krebspatienten, für die es die meisten Studienbelege gibt.

Wichtig ist hier das Wort "begleitend ": "Die Misteltherapie ist keine alleinige Therapieoption, sondern kann zusätzlich zu Strahlen- oder Chemotherapie gegeben werden", erklärt Erfried Pichler, Ganzheitsmediziner und Homöopath in Klagenfurt. Laut Pichler könne die Mistel für Krebspatienten viel leisten: "Die Nebenwirkungen der Chemotherapie werden reduziert, der Appetit gesteigert, Schlafstörungen reduziert und damit die Lebensqualität verbessert."

Immun-Schub

Die Wirksamkeit beruhe vor allem auf den immunsystemaktivierenden Eigenschaften der Mistel, der auch eine abtötende Wirkung bei Tumorzellen zugeschrieben wird. "Meiner Erfahrung nach profitieren 80 Prozent aller Krebspatienten von der Misteltherapie", sagt Pichler.

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Aber es gibt Einschränkungen: So muss das Extrakt per Injektion unter die Haut gespritzt werden, zwei- bis dreimal pro Woche - eine Prozedur, die nicht jeder auf sich nehmen will. Auch bei bestimmten Krebsformen, wie Leukämie, Lymphomen, Nierenzellkrebs sowie schwarzem Hautkrebs, soll die Mistel nicht eingesetzt werden - es gibt den Verdacht, dass das Krebswachstum angeregt wird. Auch der Krebsexperte Peter Krippl vom LKH Fürstenfeld schränkt ein, dass die Mistel nicht zur Bekämpfung von Tumoren oder zur Verlängerung der Lebenszeit eingesetzt werden kann. "Die Mistel hilft Patienten mit stark beeinträchtigter Lebensqualität", sagt Krippl. Hierzu spricht auch Pichler ein wichtiges Einsatzgebiet an: "Das Sterben geht leichter." So hätten Palliativpatienten dank der Mistel bis wenige Tage vor ihrem Tod eine gute Lebensqualität.

Prinzipiell sieht Krippl den oft verfestigten Gegensatz von "kalter" Schulmedizin und "sanfter" Naturheilkunde als hinderlich für das Arzt-Patienten-Verhältnis.

Vorsicht vor Wunderheilern

"Neue Medikamente haben nicht nur große Erfolge bei Heilung und Lebensverlängerung, sondern auch bei der besseren Lebensqualität." Doch gerade bei Krebspatienten, wo Emotionen eine zentrale Rolle spielen, gebe es oft den Wunsch nach "sanften" Therapien mit fürsorglicher Begleitung, die man in der Naturheilkunde zu finden glaubt. Die Gefahr der Geschäftemacherei vermeintlicher Wunderheiler sei hier groß.