War nicht eben erst Freitag?! Wie so oft verfliegt die Zeit am Wochenende in Windeseile und bevor man sich so recht versieht, ist der Sonntagabend angebrochen. Gerade dann macht sich bei vielen Menschen ein unterschwelliges Unwohlsein breit: Die Rede ist von den sogenannten "Sunday Scaries". Gemeint sind damit Gefühle von Angst und Stress, die typischerweise an einem Sonntag und aus der Antizipation heraus auftreten, am nächsten Tag wieder in die Schule oder in die Arbeit zu müssen, erklärt Carine Anderle. Sie ist Psychotherapeutin und Psychologin. 

"Sunday Scaries": Eine weit verbreitete Angst

"Sunday Scaries" sind weit verbreitet. In einer Umfrage mit über tausend Teilnehmenden aus den USA konnte herausgefunden werden, dass 81 Prozent der Befragten an der Angst vor dem Montag leiden. Bei einem Großteil der Teilnehmenden kommt die Angst am Nachmittag oder Abend auf, 15 Prozent berichteten allerdings davon, dass sie bereits am Sonntagmorgen "Sunday Scaries" erleben.

"Es ist eine Angst, die sehr viele Menschen von sich kennen", weiß Carine Anderle. Aber nur weil es besonders häufig ist, heißt das nicht, dass es besonders gesund ist." Um eine klinische Diagnose handelt es sich bei den "Sunday Scaries" allerdings nicht. Viel mehr kann das Angstgefühl am Sonntag auf Arbeitsunzufriedenheit oder eine Tendenz, sich viele negative Gedanken zu machen, hindeuten. 

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Immer wieder sonntags...

Aber woher kommt die Angst vor dem Montag? "Am Wochenende kommen wir im besten Fall in eine Leichtigkeit, in eine Entspannung hinein. In so einem Zustand lassen wir bis zu einem bestimmten Grad unseren Schutzpanzer fallen", so Anderle. Weil viele Menschen Arbeit allerdings mit Stress assoziieren, beginnt die Psyche sich am Sonntag(abend) von einem mentalen Entspannungs- auf einen Stresszustand vorzubereiten. 

"Sunday Scaries": Was man dagegen tun kann 

Carine Anderle ist Psychotherapeutin und Psychologin in Graz
Carine Anderle ist Psychotherapeutin und Psychologin in Graz © Alexander Settari

Aber es gibt Möglichkeiten, um gegenzusteuern. Carine Anderle rät dazu, die eigenen Gedanken bewusst in eine positivere Richtung zu lenken und genau zu lokalisieren, wovor man eigentlich Angst hat: "Wovor fürchte ich mich und warum ist es am Dienstag oder Mittwoch zum Beispiel nicht mehr so schlimm?" Um sich auf das Positive zu fokussieren, hilft es zudem, sich auf Aspekte zu konzentrieren, die man an seiner Arbeit mag. 

Was ebenfalls helfen kann? Versuchen, sich den Montag ein bisschen entspannter zu gestalten - zumindest sofern das möglich ist. "Man kann zum Beispiel versuchen, sich ein paar Pufferzeiten einzuplanen. Damit man sich am Montag nicht vollkommen von der Arbeit erschlagen fühlt." Hilfreich können auch wiederkehrende Routinen für den Sonntagnachmittag oder -abend sein. "Das beruhigt", weiß Anderle. "Manchen Menschen hilft es, zu meditieren. Andere schauen sich ihre Lieblingsserie auf Netflix an." 

"Der Sonntagsblues sollte nicht zum Normalzustand werden"

Treten die "Sunday Scaries" allerdings nicht nur ab und zu, sondern plötzlich allwöchentlich auf, empfiehlt Carine Anderle, einen Profi aufzusuchen. Insbesondere dann, wenn die mit psychosomatischen Symptomen einhergehen und die eigene Lebensqualität beeinflussen. "Das kann so weit gehen, dass Menschen den ganzen Sonntag nicht genießen können, weil er von einer Anspannung überdeckt ist." Weitere Symptome können Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit oder Schwierigkeiten beim Einschlafen sein.

"Dann sollte man auf die Botschaft des Dahinterstehenden schauen. Stimmt vielleicht irgendetwas in meinem Arbeitsumfeld nicht? Fühle ich mich vielleicht in meinem Job nicht wohl?" Hier hilft es, sich der eigenen Selbstwirksamkeit bewusst zu werden und zu überlegen, inwiefern man an der eigenen Situation selbst etwas verändern kann. Dafür kann zum Beispiel ein Gespräch mit der Führungskraft hilfreich sein. 

In jedem Fall sollte man sich nicht scheuen, professionelle Hilfe aufzusuchen. Wie häufig man unter "Sunday Scaries" leidet ist nach Ansicht der Expertin dafür unwesentlich: "Sich professionelle Hilfe holen, wenn man das Gefühl hat, Unterstützung zu brauchen: Das ist immer okay, das ist immer in Ordnung." 

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