Viele beschreiben es als den schönsten Moment ihres Lebens: die Geburt des eigenen Kindes. Aber wenn die kleinen Schützlinge zu früh auf die Welt kommen, können die Geburt und die ersten Minuten danach mit viel Stress für Eltern, Ärztinnen, Geburtshelfer und auch für das Neugeborene einhergehen. Vor allem dann, wenn das Kind zur Versorgung gleich nach der Geburt weg von der Mutter und hin zum Behandlungstisch gebracht werden muss, ist das für die frischgebackenen Eltern sehr schmerzhaft.

Doch ein neues Utensil im Kreißsaal ermöglicht es, das Kind trotz Behandlung bei den Eltern zu lassen. Der "Concord Birth Trolley" ist nun im LKH Universitäts-Klinikum Graz im Einsatz. Dabei handelt es sich um einen fahrbaren Erstversorgungstisch, der direkt über dem Bauch der Mutter platziert werden kann. Dort ermöglicht er eine intensivmedizinische Versorgung des Babys, ohne es abnabeln zu müssen.

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Zum Einsatz kommt der Trolley vor allem bei kleinen Frühchen, wie Neonatologe Berndt Urlesberger erklärt: "Das betrifft Neugeborene, die weniger als 1500 Gramm wiegen – bei dieser Gruppe sind die Vorteile durch den Einsatz des Trolleys am größten." Ob es sich um eine Spontangeburt oder einen Kaiserschnitt handle, ist dabei egal, auch bei der Sectio komme der Geburtstisch zum Einsatz. Insgesamt war das im vergangenen Jahr am Uniklinikum rund 60 Mal der Fall. "Damit zählen wir zu den Vorreitern, wenn es darum geht, den Frühchen den Start ins Leben mit dem 'Concord Birth Trolley' zu erleichtern." In Österreich ist das LKH Graz bisher das einzige Krankenhaus, das diesen im Einsatz hat.

Verbindung halten

Aber welche Vorteile bringt es, das Kind nicht gleich abzunabeln? Urlesberger erklärt: "Die Plazenta erfüllt viele Funktionen. Eine davon ist, dass sie für den Fetus so etwas wie die Lunge ist, denn zu ihren Aufgaben gehört auch der Sauerstofftransport." Kommt das Kind dann auf die Welt, dauert es oft auch nach dem berühmten Geburtsschrei noch, bis die Atmung – und somit die Sauerstoffversorgung – regelmäßig ist. "Wenn ich das Frühgeborene mit der Plazenta verbunden lasse, ist das so etwas wie ein Sicherheitsnetz. Während sich die Atmung langsam einspielt, bekommt das Neugeborene immer noch wie gewohnt Sauerstoff über die Plazenta."

Das Team des Universitätsklinikums mit dem „Concord Birth Trolley“: Ernst Prethaler, Nina Höller, Berndt Urlesberger und Herbert Fluhr (von links)
Das Team des Universitätsklinikums mit dem „Concord Birth Trolley“: Ernst Prethaler, Nina Höller, Berndt Urlesberger und Herbert Fluhr (von links) © (c) KANIZAJ


Das verhindert, dass das Frühchen Atmungsstress bekommt und macht es möglich, dass nicht sofort eine Beatmung notwendig wird: "Das senkt nicht nur den Stress beim Frühgeborenen, sondern auch bei den Eltern und dem anwesenden medizinischen Personal", so der Experte. Unnatürlich ist die längere Verbindung zwischen Kind und Plazenta keinesfalls: "Tiere trennen die Nabelschnur erst, wenn der Mutterkuchen geboren ist. Auch bei Menschen war das früher so üblich", erklärt Urlesberger. Mit der Verlagerung der Geburt ins Bett und der Angst vor Rhesuserkrankungen, ging man vor Jahrzehnten zu einer rascheren Trennung der Nabelschnur über: "In dieser Phase der Medizin war das durchaus sinnvoll. Jetzt versuchen wir ein neues Konzept, das besser ist."

In der Nähe bleiben 

Doch wozu braucht es bei diesem Unterfangen den "Concord Birth Trolley"? Kommt ein Neugeborenes mit 1500 Gramm oder weniger auf die Welt, muss unmittelbar nach der Geburt einiges an intensivmedizinischer Erstversorgung durchgeführt werden: "Die Nabelschnur ist nicht sehr lang. Soll das Kind damit verbunden bleiben, ist zu wenig Platz für die Versorgung. Wenn man aber mit dem Trolley über den Bauch der Mutter fährt, ist man nahe genug und kann das Kind direkt dort versorgen."


Ein großer Vorteil ergibt sich dadurch auch für die Eltern: "Früher wurden Frühgeborene schnell weggetragen, um sie zu versorgen. Jetzt können die Eltern die Versorgung beobachten und währenddessen sogar ihr Kind anfassen."

Ein Konzept, das sich laut dem Experten durchsetzen könnte: "Ich frage mich mittlerweile: 'Warum hatte niemand früher die Idee?' Ich glaube, wenn jetzt Studien noch zusätzlich den Mehrwert des Trolleys bestätigen, wird sich dieser total verbreiten", so Urlesberger.