1. Was sagt der Gesetzesentwurf konkret?

Es geht um die Frage: Wie sollen Menschen am Ende des Lebens medizinisch behandelt werden? Hier legt der Entwurf nun fest: Nicht die Verlängerung des Lebens hat oberste Priorität, sondern die „Linderung schwerster Schmerzen und Qualen“ – auch dann, wenn diese Maßnahmen (z. B. hochdosierte Schmerzmittel) den Sterbeprozess beschleunigen könnten. Dabei geht es vor allem um die Schmerzbekämpfung mit Opiaten und Morphinen, aber auch um die Sedierung, wobei bewusstseinsdämpfende Maßnahmen ergriffen werden, z.B. wenn Patienten Erstickungsgefühle haben. Wenn diese Medikamente sehr hoch dosiert werden, kann das zu einer Atemdämpfung führen, erklärt der Moraltheologe und Medizinethiker Walter Schaupp (Uni Graz), die das Sterben beschleunigen kann. Studien zeigen aber: Eine gute Schmerztherapie entlastet den Patienten, erspart ihm Ängste und daher leben Patienten mit einer guten palliativmedizinischen Versorgung eher länger.

Der Text des Gesetzesentwurf
Der Text des Gesetzesentwurf © kk

2. Was bedeutet das für die Praxis?

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Walter Schaupp sagt: "Es bedeutet in der Praxis, dass man sich in aussichtslosen Fällen nicht mehr auf eine maximale Verlängerung des Lebens konzentriert, sondern auf Schmerzbekämpfung, auf die Kontrolle von Symptomen wie Atemnot und Erstickungsgefühl. Und: Dass man so ein gutes Sterben ermöglicht."

3. Wieso braucht es die Gesetzesänderung?

„In der Palliativmedizin gilt seit jeher der Konsens: Lebensqualität statt reiner Lebensverlängerung“, sagt Schaupp. „Das Gesetz hat aber bisher nicht mitgezogen.“ Patienten haben immer das Recht, aus freien Stücken eine Behandlung abzulehnen - gerade auch am Lebensende. Zu Problemen kam es, wenn sich der Patient selbst nicht äußern konnte und nicht klar war: Was ist sein Wille? Hier würde das neue Gesetz greifen und die rechtliche Grauzone auflösen.

4. Sind damit alle Fragen geregelt?

Am Ende des Lebens können mehr Fragen auftreten als nur jene nach der Schmerztherapie. „Die Frage der Verhältnismäßigkeit bleibt“, sagt Schaupp. In Situationen, in denen der Tod unausweichlich ist, hat Lebensqualität Vorrang – auch Über-Therapien sind zu vermeiden. Hier gelten die Regeln für die medizinische Indikation: Ärzte sind nur verpflichtet, medizinisch indizierte, also sinnvolle und wirksame Behandlungen zu setzen. „Die Gabe von hoch dosierten Antibiotika, die zu 98 Prozent keine Wirkung haben wird, ist nicht indiziert.“

5. Wie kann ich selbst beeinflussen, was mit mir am Lebensende geschieht?

Jeder Patient hat immer das Recht, Behandlungen zurück zuweisen - schwierig wird es, wenn der Patient sich selbst nicht mehr äußern kann.
Neben einer Patientenverfügung kann auch eine Vorsorgevollmacht errichtet werden. Damit beauftrage ich einen vertrauten Menschen, an meiner Stelle Entscheidungen zu treffen und die Ärzte müssen diese Entscheidung wie meine eigene respektieren.

6. Wie groß ist die Angst vor Übertherapien?

Schaupp sagt: "Wir gehen einer Zeit entgegen, in der so viel von Sparzwängen die Rede ist, dass die Menschen eher davor Angst haben, dass sie zu wenig behandelt werden." Von berichten von Ärzten weiß Schaupp auch: Wenn Angehörige involviert sind, gibt es meist beide Seiten. Die einen, die wollen, dass nicht zu viel gemacht wird, und die anderen, die wollen, das alles getan wird. "Das ist der gesellschaftliche Kontext", sagt Schaupp.

7. Ist der Arzt die letzte Instanz bei solchen Entscheidungen?

Auf der einen Seite gibt es die Selbstbestimmung des Patienten, die Mediziner sollten möglichst genau wissen, was der Patient will. Die andere Seite ist: Was ist aus ärztlicher Sicht eine sinnvolle, medizinische Intervention? Es zeichnet sich auch immer mehr ab, das solche schwierigen Entscheidungen, zum Beispiel der Abbruch einer Therapie, immer besser im medizinischen Team diskutiert und entschieden werden, damit nie der Eindruck entsteht, es ist die subjektive Entscheidung einer Person.