Rund 11.200 Tafelklassler starten diesen September in der Steiermark mit ihrer Schullaufbahn. Etwa die Hälfte von ihnen wird in Zukunft kurzsichtig sein, warnt die steirische Landesinnung der Augenoptiker. Zu viel Zeit vor dem Handybildschirm und zu wenig Spiel an der frischen Luft haben zu einer stark anwachsenden Kurzsichtigkeit (Myopie) bei Kindern geführt. Heranwachsende brauchen zwei Stunden Aufenthalt im Freien pro Tag und am besten nicht mehr als eine Stunde vor Handy- und Computer-Bildschirmen.

Denn dort wird nur in die kurze Distanz geblickt. Das Auge „verlernt“, in die Ferne zu sehen. Auch das mangelnde Tageslicht und das Blaulicht des Bildschirms schaden dem Auge. Die Kurzsichtigkeit ist irreversibel. Kinder mit hoher Myopie können später schwerwiegende Augenerkrankungen erleiden, wie z.B. grüner Star oder Netzhautablösung.

"Kurzsichtigkeit ist Norm"

„Es ist wichtig, Eltern auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Aber das allein reicht nicht“, warnt Gabriele Machhammer, Steirische Landesinnungsmeisterin der Augenoptiker. „Mittlerweile ist unter den Kindern die Kurzsichtigkeit zur Norm geworden.“ Vor allem in Teilen Asiens steigt die Zahl der Kurzsichtigen rasant (80 bis 90 Prozent der Jugendlichen). In Europa ist bereits jeder zweite junge Mensch betroffen.

„Wenn wir von 40 bis 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen ausgehen, dann handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem mit weitreichenden Folgen für die Volksgesundheit. Es ist höchste Zeit für konkrete Maßnahmen“, fordert Machhammer. In anderen Ländern wird bereits gehandelt – etwa in China, wo die Regierung vor kurzem einen Plan gegen die Kurzsichtigkeit bei Kindern vorgestellt hat, bei dem Regierungen, Schulen, Gesundheitsinstitutionen und Familien zusammenarbeiten sollen.

Schulen müssen umdenken

„Wenn Kinder für eine optimale Seh-Entwicklung mindestens zwei Stunden täglich im Freien sein sollten und einen Großteil ihrer Zeit in der Schule und im Hort bzw. bei Hausaufgaben verbringen, dann müssen diese Stunden in den Schul- und Horttag integriert werden.“ Die Schulen seien daher angehalten, Wege zu finden, wie auch in der kühleren Jahreszeit, beispielsweise, mehr Sportunterricht oder andere Maßnahmen im Freien stattfinden können. Kritisch sieht Machhammer auch Hausaufgaben, die mehr als eine Stunde Nahsehen erfordern. Ansätze, das Ausmaß der Computerarbeit zu steigern, seien zu hinterfragen.

Zunehmend digital

Die Möglichkeiten, die Bildschirmzeit zu reduzieren, sind als Gesellschaft aber beschränkt. „Uns muss klar sein, dass wir nicht das Rad zurückdrehen können. Unser Medienkonsum, viele, viele Jobs, unser soziales Netz, all das findet zunehmend digital statt. Wir können nicht einfach sagen, ‚verwendet nur eine Stunde am Tag den Computer.‘ Wir müssen Wege finden, die Gefährlichkeit der Nutzung zu reduzieren.“ Hier sind beispielsweise neue Forschungsansätzen gefordert. Lobend erwähnt die Landesinnungsmeisterin etwa eine Studie der Universität Tübingen, die sich mit der Frage befasst hat, ob heller Text auf dunklem Hintergrund Myopie-hemmende Eigenschaften hat.

Was können Eltern tun?

  • Gemeinsame Regeln. Vereinbaren Sie gemeinsam mit Ihrem Kind Regeln für die Bildschirmnutzung. Besprechen Sie, was es mit seinem digitalen Zeitbudget anfangen will (Videos, Handyspiele). Überlegen Sie aber auch mit ihm, wie es jeden Tag auf seine Zeit im Freien kommt und warum das wichtig ist.
  • Gutes Beispiel. Wie oft sind Sie zum Vergnügen im Freien? Wie sieht es mit Ihrer Handynutzung aus? Und wann waren Sie das letzte Mal bei der Augenkontrolle?
  • Augenübungen. Gerade der Fokuswechsel zwischen Nah und Fern ist wesentlich, damit das Auge in Schuss bleibt. Insbesondere für kleinere Kinder sind Übungen sinnvoll, bei denen das Kind mal in der Nähe, mal in der Ferne etwas anfokussiert – z.B. während der Autofahrt „ich seh, ich seh was du nicht siehst“ zu spielen.Lassen Sie die Augen Ihrer Kinder jährlich kontrollieren. Kurzsichtigkeit wird vor allem dann gefährlich, wenn sie nicht korrigiert wird und stark ansteigt.
  • Brillenauswahl. Die richtige Brille korrigiert die Sicht exakt – die Gläser dürfen nicht über- oder unterkorrigieren. Auch die beste Brille kann aber die fortschreitende Kurzsichtigkeit nicht aufhalten.
  • Besondere Kontaktlinsen. Studien haben gezeigt, dass der Einsatz von weichen Multifokal-Kontaktlinsen und Orthokeratologie-Linsen bei manchen Kindern den Fortschritt der Myopie verlangsamt. Machhammer rät: „Seit Jahresbeginn beteiligen sich die Krankenkassen bei jenen Kindern an den Kosten für solche Linsen, deren Kurzsichtigkeit pro Jahr um mindestens eine Dioptrie zunimmt.“