Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG), die Österreichische Adipositas Gesellschaft (ÖAG) und das vorsorgemedizinische Institut SIPCAN setzen sich seit langem für eine Zuckerreduktion in Lebensmitteln ein. Seit 2010 erstellt SIPCAN jährlich eine wissenschaftlich fundierte Getränkeliste, in der der Zuckergehalt der im österreichischen Handel erhältlichen Getränke für die KonsumentInnen transparent gemacht wird. Diese Vorgehensweise zahlt sich aus. Der durchschnittliche Zuckergehalt in Getränken ist 2018 im Vergleich zu 2010 um 13,5 Prozent gesunken. Er sollte aber langfristig kontinuierlich weiter gesenkt werden.
"Die ÖDG fordert seit vielen Jahren eine Reduktion von Zucker und
Fett in Lebensmitteln und tritt dafür ein, dass gesunde Lebensmittel
auch zu einem leistbaren Preis verfügbar gemacht werden", erklärt die
Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, Univ. Prof.in
Dr.in Alexandra Kautzky-Willer. "Es freut uns sehr, dass durch die
kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit und die SIPCAN-Getränkeliste
bereits Erfolge bei der Reduktion des Zuckergehalts in Getränken
erreicht werden konnten. Wir wissen aus Mexiko, dem Land, das sich
bisher am meisten für die Reduzierung von Zucker in Softdrinks stark
gemacht hat, wie deutlich sich dieser Einsatz direkt auf den Rückgang
von Adipositas- und Diabetes-Neuerkrankungen auswirkt."
Zuckersteuer auf Getränke?
Bezugnehmend auf die aktuellen Auswirkungen der geplanten Steuer
in Großbritannien ergänzt Kautzky-Willer: "Die ÖDG erachtet einen Weg
mit positiven Incentives prinzipiell als besser, weil er nachhaltiger
wirkt, in dem er gesunde Produkte fördert statt andere zu bestrafen.
Wenn eine Zuckersteuer aber so rasch, bereits durch die Ankündigung,
den Zuckergehalt real senkt, kann auch dieses gesundheitspolitische
Steuerungselement gerne angewendet werden."
Der Vorstand von SIPCAN und Präsident der ÖAG (Österreichische
Adipositas Gesellschaft) Univ.-Prof. Prim. Dr. Friedrich Hoppichler
betont: "In Großbritannien führt die Politik über Steuern zu einem
vermehrten Einsatz von Süßstoffen und nicht zu einer Reduktion der
generellen Süße. In Österreich können wir bereits Erfolge belegen.
Durch den breiten Einsatz der Getränkeliste vor allem im schulischen
Bereich gelingt es ebenfalls einen positiven Anreiz zur
Zuckerreduktion für die Getränkeproduzenten zu schaffen, das
bezeichnen wir als den österreichischen Weg zu einem gesünderen
Trinkverhalten."
Positiv-Liste wächst
In einer jährlichen wissenschaftlichen Untersuchung wird von
SIPCAN bundesweit das Getränkeangebot in PET-Gebinden sowie
Kartonverpackungen von 0,20 bis 0,75 Liter analysiert. Die aktuelle
Erhebung umfasst über 700 Produkte und zeigt, dass der Anteil an
Getränken, die den Orientierungskriterien entsprechen, im Vergleich
zum Vorjahr weiter zugenommen hat und derzeit bei 57,4 Prozent liegt.
Im Vergleich zur ersten Untersuchung aus dem Jahr 2010 entspricht
dies einer Zunahme von 14,1 Prozent. "Das bedeutet, dass derzeit in
einem Supermarkt mit einem repräsentativen Getränkeangebot mehr als
die Hälfte der angebotenen Produkte den SIPCAN-Kriterien entspricht"
erklärt Hoppichler "Pro 100 ml Getränk sind derzeit 6,51 g Zucker im
Durchschnitt enthalten. Das entspricht einer Reduktion um 13,5
Prozent seit 2010".
Neben der transparenten Darstellung des Zuckergehaltes werden auch
klare Kriterien für die Produktauswahl festgelegt. Die Ernährungsexperten von SIPCAN erarbeiteten in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium und weiteren Institutionen Orientierungskriterien, die sich unter anderem nach den aktuellen WHO-Empfehlungen zum täglichen Zuckerkonsum richten. Dabei gilt, dass nur jene Produkte in der Positiv-Liste berücksichtigt werden, bei denen der Zuckergehalt pro 100 ml Getränk bei maximal 7,4 g liegt und die keine Süßstoffe enthalten. "Allerdings wird generell zu viel Zucker konsumiert, er sollte auf weniger als fünf Prozent der Energiezufuhr bei Kindern und Jugendlichen und weniger als zehn
Prozent bei Erwachsenen beschränkt sein. Idealerweise sollte gar kein
freier Zucker in Getränken konsumiert werden, stattdessen gilt z.B.
Wasser als idealer Durstlöscher" betont Kautzky-Willer.
Süß ist auch ohne Zucker nicht gesund!
Süßstoffe werden trotz der dadurch erreichten Kalorieneinsparung
als sehr kritisch angesehen, da der Konsument keine Chance hat sich
an einen geringeren süßen Geschmack zu gewöhnen. "Auch wenn durch
Süßstoffe keine zusätzlichen Kalorien zugeführt werden, bleibt die
Süße! Die Lust nach Süßem wird weiter angekurbelt. Säuglinge haben
eine angeborene Präferenz für die Geschmacksrichtung Süß. Jedes Mal
wenn wir Süßes zu uns nehmen, aktivieren wir unser Belohnungszentrum.
Diese Präferenz wird durch prä- und postnatale Einwirkungen
verstärkt. Daher ist die Vermeidung von Zucker und süßem Geschmack
schon möglichst früh im Kindesalter der beste Schutz vor
Übergewicht", erklärt Kautzky-Willer, "da Süßstoffe außerdem auch die
Darmhormone und -flora beeinflussen können und Langzeitdaten zu
Gewichtsentwicklung fehlen, kann ich derzeit keine wissenschaftlich
fundierte Empfehlung für Süßstoffe abgeben".
Zwtl.: SIPCAN Liste hat Einfluss auf Getränkeindustrie
Eine aktuelle Publikation im European Journal of Public Health
zeigt, dass die SIPCAN Getränkeliste mehr als nur eine jährliche
Erhebung des IST-Zustandes ist. Durch den sehr breiten Einsatz der
Getränkeliste als Entscheidungsgrundlage für das Getränkeangebot vor
allem im schulischen Sektor wie z.B. bei Getränkeautomaten und
Schulbuffets gelingt es SIPCAN einen Anreiz zur Zuckerreduktion für
die Getränkeproduzenten zu schaffen und gleichzeitig auch in gewisser
Weise Druck im Hinblick auf diese Zuckerreduktion auszuüben. "Die
klaren und leicht verständlichen Orientierungskriterien sowie die
Transparenz des Zuckergehaltes erleichtert den Konsumentinnen und
Konsumenten die Getränkewahl. Die bereits erreichte durchschnittliche
Zuckerreduktion zeigt, dass es sowohl auf Seiten der Industrie als
auch auf KonsumentInnenseite eine Bereitschaft hin zu weniger Süße
gibt", erläutert Hoppichler.
Zwtl.: Zeichen gegen die Übergewichtsproblematik
SIPCAN setzt sich energisch für diese schrittweise Reduktion des
Zuckergehaltes ein, um ein starkes Zeichen im Kampf gegenüber der
großen Übergewichtsproblematik und den damit einhergehenden
Folgeerkrankungen wie Diabetes Mellitus zu setzen. "Dass mit Zucker
gesüßte Getränke eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von
Übergewicht spielen, zeigte eine weitere kürzlich veröffentlichte
Übersichtsarbeit, an der SIPCAN maßgeblich beteiligt war" erklärt
Hoppichler. In dieser Übersichtsarbeit, die in Kooperation mit der
Europäischen Adipositas Gesellschaft (EASO) durchgeführt wurde, bei
der 30 Studien mit über 250.000 Teilnehmern inkludiert waren, konnte
aufgezeigt werden, dass der Konsum von mit Zucker gesüßten Getränken
in 93 Prozent mit einem erhöhten Körpergewicht bzw. BMI (Body Mass
Index) in Zusammenhang stand.
Zwtl.: Ausblick für die Zukunft
Der eingeschlagene Weg soll auch in Zukunft langfristig umgesetzt
werden. Eine zentrale Maßnahme wird dabei die schrittweise
Reduzierung des Orientierungskriteriums für den Zuckergehalt in den
nächsten Jahren sein. Weiters soll die Nutzung der Getränkeliste
abseits vom Schulsektor ausgebaut werden, um so auch den Anreiz zur
Zuckerreduktion für die Getränkeindustrie zu erhöhen. Beide
Topmediziner sind sich einig, dass Österreich mit dem eingeschlagenen
Weg eine Vorbildwirkung für andere Länder haben kann, bei dem jede
Konsumentin und jeder Konsument eine echte Chance hat sich an weniger
Süße gewöhnen zu können. Der EU-Ratsvorsitz heuer könnte ein guter
Rahmen sein, um diesen österreichischen Weg anderen Mitgliedsländern
schmackhaft zu machen.