Die Leistung muss stimmen - das gilt auch für Spendernieren. Sind die Organe nämlich nicht gut genug, können sie dem Patienten, der auf die Nierenspende wartet, nicht eingesetzt werden. So war das auch im Fall von Dieter S., einem Dialysepatienten, der bereits zwei Jahre auf eine Spenderniere wartete: Das Organ, das er bekommen sollte, stammte von einem 81-jährigen Patienten und war zu schwach, um die Nierenleistung von Herrn S. zu übernehmen.
Im Normalfall hätte das bedeutet: Das Organ wird aussortiert, Herr S. kommt zurück auf die Warteliste. Doch Peter Schemmer, Leiter der Transplantationschirurgie am LKH-Uniklinikum Graz, entschied sich für einen anderen Weg. Anstatt die eine Niere zurückzuschicken, forderte er auch die zweite Niere des Spenders an - und konnte beide erfolgreich transplantieren.
Zu wenig Organe
„So können wir vorhandene Spenderorgane besser ausnützen“, sagt Schemmer. Denn Fakt ist: „Es gibt viel zu wenige Organe“, sagt Sabine Zitta, Nephrologin und betreuende Ärztin von Dieter S. Im Durchschnitt wartet man in Österreich drei Jahre auf eine Nierenspende. Um diese Wartezeit für ältere Patienten zu verkürzen, gibt es ein spezielles „Senior Programme“: Älteren Empfängern werden dabei die Organe von älteren Spendern zugeteilt. Auch Dieter S. war in diesem speziellen Programm - doch es stellte sich heraus, dass ein Organ alleine nicht gut genug gewesen wäre. „In diesem Fall hat man die Chance, beide Organe zu transplantieren“, sagt Zitta - denn zwei Organe bedeuten auch die doppelte Leistung.
Ein zentraler Punkt ist der effiziente Umgang mit Spenderorganen: Die beiden einzelnen Nieren würden abgelehnt werden - transplantiert man zwei schlechtere Nieren aber gemeinsam, kann einem Patienten geholfen werden. „So haben alle etwas davon“, sagt Zitta.
Doch bedauerlicherweise komme das noch selten vor: Laut dem Vergabeprozedere von Eurotransplant werden die einzelnen Nieren unterschiedlichen Zentren angeboten - sind sie nicht gut genug, gehen beide Organe verloren. „Wir verwerfen so viele Organe, die einzeln nicht funktionieren, aber gemeinsam eine gute Chance haben, Lebensqualität und Lebenszeit zu schenken“, sagt Schemmer. Er hofft, dass sich zukünftig das Prozedere ändern werde und Nieren ab einer gewissen Nierenfunktion nur noch im „Doppelpack“ angeboten werden.
Insgesamt lebt Herr S. nun mit vier Nieren: Wie bei Nierentransplantationen üblich, bleiben die „alten“ Organe im Körper, denn sie stören nicht und die Entfernung würde für den Patienten nur eine noch längere Operationszeit bedeuten.
Doppelte Operationszeit
Chirurgisch ist die Transplantation von zwei Nieren natürlich aufwendiger: „Es ist ein Mehr an Operation und dabei kann auch mehr schiefgehen“, sagt Schemmer. Zwei Organe bedeuten die doppelte Operationszeit - und damit die doppelte Narkosezeit, die besonders für ältere Patienten eine große Belastung ist.
Auch Herr S. erinnert sich, dass die zwei Wochen, die er nach der Operation auf der Intensivstation bleiben musste, keine schöne Zeit waren. Doch: „Dafür kann ich heute fast ein normales Leben führen“, ist er glücklich. Bisher ist er der erste und einzige Patient, der in Graz mit dieser Methode operiert wurde. "Jetzt bin ich berühmt, da ich ja der Einzige zwischen Semmering und Kärnten bin, der mit vier Nieren lebt", sagt Dieter S. lachend.
Heute sei er zu "95 Prozent" wieder hergestellt: Er kann wieder Rasen mähen und einkaufen gehen und lebt fast wieder normal. Am Anfang musste er immer einen Mundschutz tragen, wenn er unter Menschen gegangen ist - wegen der Medikamente gegen eine Abstoßung muss sich S. vor Infektionen schützen. Heute braucht er den Mundschutz aber nicht meh. "Meine einzige Sorge ist, dass meine Nieren nicht so gut bleiben könnten wie jetzt."
Sonja Saurugger