Ist es Training, wenn man keine Sportsachen anziehen muss? Wenn man in Jeans und T-Shirt in einem bequemen, weißen Sessel sitzt? Die Beschreibung des Beckenbodentrainings mittels eines Magnetstuhls klingt zu gut, um wahr zu sein - keine Bewegung, kein Schweiß, und trotzdem Muskelaufbau?
Auch beim ersten Blickkontakt mit dem Sessel, der „Pelvi-Center“ heißt, bleiben Zweifel: Assoziationen zu gemütlichen Massagesesseln werden geweckt, Trainingsgeräte sehen anders aus. Die Testerin stellt sich auf entspannte 20 Minuten ein, setzt sich und ... aber hallo! Sobald Thomas Gmoser, der das Gerät anbietet, die Magnetspule unter mir aktiviert, beginnt ein Intensivtraining unter der Gürtellinie.
Gegen Inkontinenz
Der Beckenboden ist eine Körperregion, mit der sich die meisten erst beschäftigen, wenn sie Probleme macht. Das häufigste dieser Probleme ist die Inkontinenz, die laut Weltgesundheitsorganisation die häufigste Erkrankung weltweit ist.
Es trifft nicht nur Ältere: Auch junge Frauen nach Geburten oder Männer nach einer Prostata-Operation können betroffen sein. Für diese intimen Problemfelder will der Stuhl Abhilfe schaffen, indem die Muskulatur des Beckenbodens trainiert wird. Und der Stuhl, das Pelvi-Center, meint es ernst.
Die Anspannung kommt in Wellen, Muskeln, von denen ich nicht wusste, dass sie für mich arbeiten, spannen sich an, dann kurze Entspannung - und die nächste Stoßwelle. Kurz denke ich, der Sessel unter mir vibriert, doch Gmoser, gelernter Sportwissenschaftler, klärt mich auf: Das bin ich selbst. Genauer gesagt, meine Muskulatur, die sich unter dem elektrischen Einfluss der Magnetspule windet. Mit Entspannungsmassage hat das definitiv nichts zu tun - der Beckenboden betreibt Hochleistungssport.
Alternative zu Physiotherapie
Die Behandlung der ersten Wahl bei Problemen mit dem Beckenboden ist die Physiotherapie - Patienten, die zu Gmoser kommen, haben diese Erfahrung oft schon ohne große Erfolge hinter sich. „Manche Menschen spüren ihren Beckenboden einfach nicht oder sind beim Training zu nachlässig“, sagt Gmoser. Das bestätigt auch Urologe Mons Fischer: „Etwa die Hälfte der betroffenen Frauen kann ihren Beckenboden nicht selbst aktivieren.“ Systeme wie das Pelvi-Center seien dann die Alternative - die man aber bezahlen muss, die Krankenkasse übernimmt die Kosten nicht. Dafür spart man sich die Sportsachen.
Sonja Saurugger