Die neuen Immuntherapien machen die Lungenkrebsspezialisten fast euphorisch. Nach Jahrzehnten langsamer Fortschritte werden mit zielgerichteten Medikamenten und den Antikörpern, welche das Abwehrsystem der Patienten gegen die Karzinome wieder scharf machen, bis dato kaum vorstellbare Erfolge erzielt.
"Es ist eine ungeheuer 'coole' Zeit für uns", sagte Maximilian Hochmair, Leiter der Onkologie Unit am Otto-Wagner-Spital. In Österreich werden pro Jahr rund 4.100 Lungenkarzinom-Neuerkrankungen registriert. Jährlich sterben rund 3.600 Patienten. Dieses Bild dürfte sich schon in nächster Zukunft auch in den Überlebensstatistiken zu wandeln beginnen.
Gezielte Medikamente
Etwa 20 Prozent der Lungenkarzinompatienten weisen bestimmte molekularbiologische Veränderungen an den Tumorzellen auf, welche diese mit gezielt wirkenden Medikamenten angreifbar machen. Das kann die Erkrankung rund ein Jahr lang stabilisieren. Bei den Erkrankten ohne solche Charakteristika ist die Immuntherapie mit gegen die PD-1-Rezeptoren von Immunzellen oder gegen die PD-L1-Oberflächenstruktur von Tumorzellen ein völlig neuer Ansatz. Durch die Hemmung einer Kontaktaufnahme zwischen den Tumor- und den Immunzellen über diese Proteine werden die Abwehrzellen wieder zum Angriff auf das Karzinom befähigt.
Die Testung von Tumorgewebeproben auf die Verwendbarkeit entweder zielgerichteter Medikamente oder der neuen Immuntherapeutika erfolgt in Österreich bei neu diagnostizierten Lungenkarzinompatienten bereits routinemäßig an den spezialisierten Zentren, betonte Pathologin Dagmar Krenbek. Der Pathologie mit ihren Methoden komme in der Auswahl der Therapie und in der begleitenden Kontrolle der Patienten eine überragende Rolle zu, sagte Hochmair.
Hohe Erfolgsraten
Die Erfolgsraten sind mit der neuen Immuntherapie hoch. Abhängig davon, wie hoch der Prozentsatz der Tumorzellen mit dem PD-L1-Markerprotein ist, sprechen bis zu 80 Prozent der Behandelten deutlich auf die Behandlung an. Bei 30 Prozent der Lungenkarzinome ohne Mutationen, welche eine zielgerichtete Therapie speziell dagegen erlauben, beträgt der Anteil der PD-L1-positiven bösartigen Zellen mehr als 50 Prozent. "Das spricht für eine besonders gute Wirkung", sagte der Onkologe.
Selbst wenn weniger als ein Prozent der Tumorzellen PD-L1-positiv sind, kann durch eine Chemotherapie plus Immuntherapie die Ansprechrate von 13 Prozent (Chemotherapie allein) auf 57 Prozent gehoben werden, zeigte eine Studie. Es scheint so zu sein, dass es bei etwa 20 bis 50 Prozent der immuntherapeutisch versorgten Patienten zu einer langfristigen Plateaubildung mit Stabilisierung der Erkrankung kommt.
Monatelang stabil
In der Ersttherapie von Patienten mit fortgeschrittenem, inoperablen und hoch PD-L1-positivem Lungenkarzinom löst die Immuntherapie wahrscheinlich die bisher verwendete Chemotherapie ab. Zur Verfügung steht sie aber auch nach dem Versagen erster Chemotherapien. Hochmair berichtete von Patienten an seiner Abteilung, welche mit stark fortgeschrittenem metastasierten Lungenkarzinom eine extreme Rückbildung von Primärtumor und Metastasen zeigten.
Außerdem könnten die Kranken auch nach dem Versagen von zuvor vier verschiedenen Therapien noch monatelang stabil gehalten werden. Das war bis vor kurzem faktisch unvorstellbar.