Zu Gesicht bekommt man sie eigentlich nur bei der Zubereitung von Fleisch: Diese weißen Fasern, die Fleischstücke wie eine dünne Schicht überziehen, sind Faszien. Dieses Bindegewebe umhüllt aber nicht nur den Hendlhaxen, sondern durchzieht auch unseren Körper. Dass Faszien mehr sind als "Verpackungsmaterial", weiß man aber erst seit einigen Jahren.

Voll besetzt mit Meldezentralen

Die Faszien erlebten einen wahren Hype: Nicht nur die Forschung wurde intensiviert, auch Trainings- und Massagemethoden für die Faszien florieren. "Früher hat man gedacht, Faszien wären totes Gewebe", sagt Barbara Gödl-Purrer, Lehrende am Lehrgang Physiotherapie an der FH Joanneum Graz. "Doch durch die Forschung weiß man heute, dass die Faszien dicht mit Rezeptoren besiedelt sind."

Das heißt: Die Faszie ist voll besetzt mit kleinen "Meldezentralen", die dem Gehirn ständig Reize weiterleiten. Damit ist die Faszie hauptverantwortlich für unsere Körperwahrnehmung: Wir wissen mit geschlossenen Augen, wo sich unser Arm gerade befindet. "Die Faszie ist quasi unser sechster Sinn", sagt Gödl-Purrer.

Hauptauslöser für Rückenschmerz

Doch Faszien umhüllen nicht nur unsere Muskeln und Organe und halten sie in Form: Durch das dichte Netz der Nervenenden, das sie durchzieht, können Faszien auch Schmerzen bereiten. Es wird vermutet, dass die Faszien einer der Hauptauslöser für Rückenschmerzen sein könnten.

Sie reagieren nicht nur auf falsche Beanspruchung (mangelnde Bewegung, falsche Belastung), sondern auch auf Stressbotenstoffe. Forscher aus Ulm haben im Laborversuch gezeigt, dass Faszien sich zusammenziehen, wenn sie mit einem menschlichen Stresshormon in Kontakt kommen.

Keine Unterforderung

Was den Faszien schadet, ist sowohl die Unter- wie auch die Überbelastung. Verbringt man seinen Alltag vorwiegend bewegungslos, ist das für die Faszien ebenso schlecht, wie wenn das Gewebe überfordert wird. Ein typisches Beispiel sei laut dem Forscher Robert Schleip das Barfußlaufen: Lange ein großer Trend, hat sich nun gezeigt, dass man den Fuß erst langsam an das Laufen ohne stützenden Schuh gewöhnen müsse, sonst komme es zu Überlastungsschäden.

Gewebe verklebt

"Durch die Faszien stehen die Muskeln in Verbindung, funktionieren wie ein Netzwerk", sagt Gödl-Purrer. Durch dieses Wissen könne man heute mittels Faszien-Massagen gezielter auf Verhärtungen und Verspannungen eingehen. "Durch die Faszienforschung haben wir heute ein besseres Wissen darüber, durch welche Bewegungen und welche Druckpunkte man Schmerzen reduzieren und Entspannung erreichen kann", sagt Gödl-Purrer.

So sollten bei Therapien nach schweren Verletzungen oder Operationen die Faszien miteinbezogen werden. Denn auch durch Operationen kann das Gewebe "verkleben". Neben manuellen Therapien wie Massagen (siehe unten), Osteopathie oder Rolfing gibt es auch Training für die Faszien: Das ist meist eine Kombination von kurzen, federnden Bewegungen mit Dehnung.

Aber: Ein "Wundermittel" gegen alle Schmerzzustände sei die Bearbeitung der Faszien nicht. "Um wirklich anhaltend gegen Verspannungen zu wirken", sagt Gödl-Purrer, "muss der Mensch sein Verhalten und den Umgang mit seinem Körper verändern."